Gekürzte Pendlerpauschale verfassungswidrig?
Finanzgericht: "Gleichheitssatz der Verfassung verletzt"
Das Niedersächsische Finanzgericht hält die Kürzung der Pendlerpauschale für verfassungswidrig. Die Neuregelung verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes. Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die Klage eines Ehepaares aus dem Raum Oldenburg entscheiden.
Die Berufspendler hatten gegen ihr Finanzamt geklagt, weil sie für ihre gesamten Fahrten zur Arbeit einen Freibetrag auf ihren Lohnsteuerkarten eintragen lassen wollten. Die beiden Angestellten pendeln in entgegen gesetzte Richtungen 41 beziehungsweise 54 Kilometer zur Arbeit. Das Finanzamt gewährte jedoch nur einen gekürzten Freibetrag und ließ sowohl bei der Ehefrau als auch beim Ehemann die ersten 20 Kilometer unberücksichtigt - so wie es die Neuregelung vorschreibt.
Es geht um fünf Milliarden Euro
Die Kilometerpauschale von 30 Cent kann seit Jahresbeginn nur noch vom 21. Entfernungskilometer an von der Steuer abgesetzt werden. Durch diese Kürzung erhofft sich der Bund etwa fünf Milliarden Euro an Steuermehreinnahmen.
Die niedersächsische Landesregierung rechnet damit, dass das nun angerufene Bundesverfassungsgericht zu Gunsten des Bundes entscheiden wird. "Wir gehen weiterhin davon aus, dass die neue Regelung verfassungskonform ist", sagte Finanzminister Hartmut Möllring (CDU). Genauso sieht das der finanzpolitischer Sprecher der Union im Bundestag. Otto Bernhardt (CDU) sagte dem Fernsehsender n-tv, die Berufssphäre fange in Zukunft zu Hause und nicht mehr am Werkstor an. "Der Weg zur Arbeit ist weder Betriebsausgabe noch Werbungsaufwand für den Beruf", sagte Bernhardt.
Ohne Aufwand gar kein Einkommen
Nach Auffassung der Richter in Hannover gehören die Fahrten zum Arbeitsplatz dagegen zu den beruflichen Aufwendungen. Ohne die Kosten, die bei den Fahrten zwangsläufig entstehen, sei gar kein Einkommen zu erzielen. Schließlich finden nicht alle Menschen am Wohnort eine Stelle. Gemäß dem Einkommenssteuergesetz dürfe aber nur das Einkommen besteuert werden, das nach Abzug der beruflichen Aufwendungen bleibt. Zudem sei es unzulässig, das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum zu besteuern.
"Wir haben schon im parlamentarischen Verfahren davor gewarnt, dass die neue Regelung verfassungswidrig sein könnte", sagte der niedersächsische Grünen-Fraktionsvorsitzender Stefan Wenzel. Eine Kürzung der Pendlerpauschale sei allerdings schon aus ökologischen Gründen sinnvoll. "Wir fordern eine lineare Absenkung der Pauschale", sagte Wenzel. Denkbar sei etwa eine Halbierung der Pauschale von 30 auf 15 Cent vom ersten Entfernungskilometer an.
Pauschale als Strukturausgleich?
Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund (NSGB) begrüßte indes die Entscheidung, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. NSGB-Verkehrsreferent Meinhard Abel erklärte, die neue Regelung benachteilige Menschen auf dem Land deutlich gegenüber Großstädtern. Die Entfernungspauschale in der früheren Form sei "ein Strukturausgleich für den ländlichen Raum".
Der Lohn- und Einkommenssteuer Hilfe-Ring, der die Klage des Ehepaares in Niedersachsen unterstützt hat, rät allen Berufspendlern, Einspruch gegen den Lohnsteuerermäßigungsbescheid für 2007 oder den Einkommenssteuerbescheid 2007 einzulegen.
*tagesschau