Es ist mal wieder so weit.
Ich habe ja etwas gesammelt, dachte ich, damit kann ich hier wieder etwas zum Besten geben kann. Ich hatte ja keine Ahnung, was mich erwarten sollte.
Wer beim Elbetreffen 2022 aufgepasst hatte, weil vor Ort, der weiß, dass ich seit einiger Zeit absolute Frischlinge ausbilde. Der LKW und ich, wir haben unsere Beziehung auf Eis gelegt, weil ich mit dem Betreiber des LKW so meine Probleme bekommen habe. Merke: BWL bedeutet wohl doch BetriebsWirtschaftsLEERE. Also leerte sich der Personalbestand und damit die Ausbildungsqualität, was nicht in meinem Interesse lag.
Nun eben nur noch PKW. Hierbei muss ich sagen, die Mädels sind mir mittlerweile wesentlich lieber als die Jungs.
Das ich gern mit Frauen arbeite, war ja immer schon so, aber es wird mit den Jungs ja doch besser.
NICHT!
Ich nehme jetzt mal ein männliches Exemplar, das in seinem bisherigen Leben wahrscheinlich immer ohne besondere Anstrengungen alles erreicht hatte oder anders formuliert, es gab wohl immer einen leichteren Weg und der wurde dann auch genommen. Dieser junge Mann, ich nenne ihn Taylor. Die Mädels übrigens auch, denn Taylor ist im englischen ja ein Name, der beide Geschlechter bedient.
Taylor hat sich am Anfang durch eine gewisse Nervosität ausgezeichnet. Die hatte nicht nur er, sondern auch sein Kumpel, Taylor2. Jener Taylor2 hatte schon eine gut ausgeprägte Rechts-Link-Schwäche, welche ihm in seiner Prüfung schon einen Umweg von fast 5km einbrachte, Taylor setzte dem ganzen noch einen drauf. Ich war und bin nicht in der Lage vorherzusehen, wohin die Reise geht. Es gab auch keine Regelmäßigkeit darin zu erkennen, wann er denn jetzt die Fahrtrichtung verwechselte, er machte es einfach. Also, musste ich mich daran gewöhnen, ging aber nicht.
Taylor lernte das Fahren. Taylor2 übrigens auch, sie waren ja Kumpels. Wobei ich manchmal das Gefühl hatte, so eine Fahrausbildung sollte statt mit einer relativ eindeutigen Faktenlage mit Diskutieren durchgeführt werden. Während sich Taylor2 noch damit abgab, dass er eben nicht so fuhr, wie es in der Prüfung sein sollte, war die Lage bei Taylor etwas anders geartet. Es gab da so ein Problem, in seiner Kindheit. Auf meine Aufforderung: „Mache es dir doch nicht so kompliziert, denke doch einfach mal einfach und simpel“ antwortete er: „Meine Mutter hat mich allein großgezogen, die denkt noch viel komplizierter als ich!“ Mitunter kam noch dazu: „Ich habe das halt nie gelernt, einfach zu denken.“
Ein hartes Schicksal. Dazu kam seine Berufswahl, Kaufmann für Büromanagement. Er hatte also mehr mit Mädels zu tun, als mit Männern. Ich hatte ihn aufgrund seiner Aussagen und Berufswahl zwischenzeitlich sogar im homosexuellen Bereich verortet, lag da aber falsch.
Ich neige in der Fahrausbildung auch zu einer gewissen Ironie und auch einer gesunden Portion Sarkasmus.
Beispiel: Taylor2 soll eine Gefahrenbremsung durchführen. Der beschleunigt auf 40km/h, ich sage „Stopp!“, ich zähle 21,22,23, bin fast schon am Zweifeln, ob ich mich wirklich geäußert habe, da setzt die Verzögerung brachial ein. Das Auto steht gerade auf der Straße, der Motor läuft.
Ich: „Die Verzögerung an sich war sehr gut aber du hast die Reaktionszeit eines Flegmon.“ Taylor2 ziemlich ungläubig: „Ernsthaft, ein Pokémon-Witz?!?“ Ich: „Na wer kam den gerade nicht auf die Bremse, Du oder Ich? Ich dachte schon, ich habe mein Stopp nur geträumt!“
Bei Taylor hingegen war meistens noch irgendeine Antwort zu finden, die einen Fehler seinerseits abzugeben versuchte. Die beste Antwort, die ich von ihm erhalten hatte war: „Na, wenn Sie auch immer so viel von mir verlangen!“ Nach der 30. Fahrstunde wohlgemerkt. Ich gebe zu, da war ich doch ordentlich verdutzt. Viel verlangen. Ja ernsthaft, in der 30. Fahrstunde verlange ich von so manchem Fahrschüler etwas. Dass er so einige Fahrmanöver im Auto selbstständig umsetzt zum Beispiel. Auch wenn andere Kraftfahrzeuge dabei sind. Und Fußgänger. Und Radfahrer. Und Straßenbahnen, die ja nicht Kraftfahrzeuge im Sinne der STVO sind. Also noch ein paar Runden. Und die Sonderfahrten. Taylor2 hatte mittlerweile seine Prüfung bestanden, mit den 5km Umweg wohlgemerkt.
Taylor brauchte eben noch. Und dann hatte ich das Gefühl, er kann die Prüfung bestehen.
Nein, kann er nicht. Er scheiterte in der ersten Prüfung an einem „Verkehrsberuhigtem Bereich“.
Oft fälschlicher Weise als Spielstraße verschrien, würden an dem viele Autofahrer scheitern. Er fuhr zu schnell. 15km/h statt der erlaubten 4-7km/h. Es wäre nicht so schlimm gewesen, wenn ich nicht ca. 30 Minuten vorher genau in diesem Verkehrsberuhigtem Bereich gewesen wäre.
In der Vorbereitung auf die nächste Prüfung fuhr er wieder durch dieselbe Stelle. Diesmal mit 16km/h! Aussage von Ihm: „Ich weiß immer nicht, wo die Schilder stehen, ich sehe die einfach nicht!“
Die stehen, wie fast alle Schilder rechts oben. Am Tag der Prüfung hatte er es richtig erkannt. Ich war begeistert ob dieses Fortschritts, ja wirklich, das hat er gut gemacht.
Dafür ist hat er einige Male den Blinker vergessen einzuschalten, an einigen Stellen hat er ihn nicht ausgeschaltet. Wir fuhren auf Straßen teilweise zu langsam oder/und zu schnell (ja, das geht durchaus), die Grundfahraufgaben waren auch wackelig, aber noch irgendwie im grünen Bereich, die Vorfahrtsituationen wurden bisweilen auch eher spät verarbeitet. Alles für sich genommen noch kein Grund um Durchzufallen. Aber eben knapp im Gesamtbild.
Bis wir an eine Ampel kamen, die gleichzeitig ein Stopp-Schild am Mast hatte. Wir hatten Grün, er fuhr los und warf den Anker. Meinte gleichzeitig: „Was mach ich denn, es ist doch Grün!“ Das hatte dem Autofahrer hinter uns aber relativ wenig genutzt, er hatte seine Mühe, nicht in meinem Auto einzurasten. Das es keinen Unfall gab, lag einzig an der Geistesgegenwart der nachfolgenden Autofahrer. Ich hatte genug und sagte: „Jetzt reicht es aber.“ Der Prüfer war derselben Meinung…
Bei der Auswertung wurden Taylor die Fehler natürlich entsprechend bewertet. Hauptaussage des Prüfers war: „Sie können eigentlich Autofahren, sonst hätte Sie ihr Fahrlehrer nicht zugelassen. Aber Sie müssen sich konzentrieren und das machen, was Ihnen Ihr Fahrlehrer beigebracht hat, dann wird das auch etwas.“ Taylor: „Das weiß ich ja auch, aber das ist alles so viel, worauf man sich beim Autofahren konzentrieren muss…“
Ich mache das mit der Fahrschule seit 2007 und habe aus so manches bereits erlebt. Aber das war eine neue Qualitätsstufe der Erkenntnis. Ein Fahrschüler merkt in der Prüfung, das Autofahren mehr als nur Lenkradhalten ist. Und das aber auch erst, nachdem der Prüfer ihm sagt, was er alles falsch gemacht hat. Dinge, die ich ihm während der Fahrausbildung immer und immer wieder versucht habe, auszutreiben. Auch mit Witz, ich hasse schlechte Stimmung im Auto.
Ich habe auf dem Rückweg kein Wort mit Taylor geredet. Die Worte des Prüfers haben bei ihm genug Wirkung hinterlassen, da musste ich nicht noch weiter einreden.
Ich habe mich tags darauf mit dem Prüfer über diese Prüfung unterhalten. Wir haben beide festgestellt, dass jungen Menschen nicht gar mehr auf das Leben vorbereitet sind. Die Generation Z, wie sie wohl genannt wird, ist nicht mehr wirklich in der Lage, selber Entscheidungen zu treffen, diese Entscheidung dann auch zu vertreten und mit den Konsequenzen klar zu kommen. Auch hat die Belastbarkeit der Generation Z gegenüber den Jugendlichen von vor 10 Jahren deutlich abgenommen. Das hat viele Gründe, die auch im Elternhaus zu finden sind, aber nicht nur. Da spielen viele Dinge eine Rolle.
Der Prüfer meinte anschließend nur zu mir: „Lassen Sie nur, gestern hätten noch zwei weitere Kollegen ins Lenkrad beißen können. Aber mit dem gesamten Gebiss, so dass es im Lenkrad stecken bleibt.“