Mehr als Tempo 160? Kein Problem! Knöllchen und Flensburg-Punkte? Egal! Laut einer aktuellen Umfrage scheint sich kein anderes europäisches Volk auf der Straße hemmungsloser auszuleben als die Deutschen. Aber gleichzeitig hält Europa sie auch für seine besten Fahrer.
Deutschland hat die fähigsten Autofahrer in Europa. Nach 2008 schneiden die Deutschen auch in diesem Jahr in den Augen ihrer europäischen Nachbarn am besten ab. Das ist eines der Ergebnisse des zweiten AXA Verkehrssicherheits-Reports, einer länderübergreifenden Studie über das Sicherheitsbewusstsein von Autofahrern in zehn europäischen Staaten: Deutschland, Frankreich, Belgien, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Portugal, Schweiz und Spanien.
Rund acht von zehn befragten Deutschen (83 Prozent) fühlen sich auf heimischen Straßen sicher, mehr als der europäische Durchschnitt von 75 Prozent. Die Europäer insgesamt (67 Prozent) wie auch die Deutschen (73 Prozent) beurteilen ihr eigenes Fahrverhalten größtenteils als gut. Überraschend ist: Am sichersten fühlen sich die befragten Deutschen nach wie vor auf Landstraßen. Ein gefährlicher Trugschluss, denn dort geschehen über die Hälfte aller Unfälle mit Todesfolge.
Ansonsten wissen die befragten Pkw-Fahrer aus Deutschland sehr genau, wo Gefahrenquellen im Straßenverkehr lauern. Etwa 90 Prozent geben das Missachten von Sicherheitsabständen, Fahren ohne Sicherheitsgurt, Alkohol am Steuer und Rechtsüberholen auf der Autobahn als die gefährlichsten Verkehrssünden an. Damit zeigen die Deutschen ein höheres Bewusstsein für Gefahren auf der Straße als ihre europäischen Nachbarn.
So empfinden zum Beispiel nur 76 Prozent der befragten Italiener das Fahren ohne Sicherheitsgurt als gefährlich, in Deutschland hingegen 94 Prozent. Auch das Benutzen des Handys am Steuer scheint vielen Italienern im Blut zu liegen. Jeder Fünfte (19 Prozent) hält Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung am Steuer nicht für gefährlich, weitere 19 Prozent tun es, obwohl sie sich der Gefahr bewusst ist und trotz empfindlicher Strafen von bis zu 600 Euro. Im Gegensatz dazu sind Deutschland, Großbritannien und Irland besonders vorbildlich: Nur jeder vierte deutsche Fahrer (25 Prozent) gibt an, die „Telefonsünde“ gelegentlich zu begehen.
Gleichauf liegt Irland. Vorzeigenation ist Großbritannien mit nur 12 Prozent. Knapp 80 Euro zahlt man auf der Insel für das Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung im Auto. Wer sich auf deutschen Straßen dabei erwischen lässt, kommt im Vergleich dazu günstig weg: 40 Euro und ein Punkt in Flensburg werden fällig.
In Sachen Geschwindigkeitsüberschreitungen sind die Deutschen allerdings kein Vorbild, da helfen weder Punkte in Flensburg noch Geldbußen.
Die Hälfte der Befragten (49 Prozent) gibt an, hin und wieder in Ortschaften zu schnell zu fahren (Europa: 41 Prozent). Auch aktuelle Unfallstatistiken belegen die deutsche Lust an der Geschwindigkeit: Laut Statistischem Bundesamt gehen mehr als 14 Prozent der Unfälle mit Personenschaden auf überhöhte Geschwindigkeit zurück.
In Sachen Tempo sind die Deutschen zudem schwer belehrbar und Blitzer zeigen wenig Wirkung: Nur 39 Prozent lassen sich durch Radarkameras beeinflussen und nur rund jeder vierte (27 Prozent) fürchtet Punkte in Flensburg. Die Europäer insgesamt zeigen mehr Respekt: Durchschnittlich 48 Prozent der Autofahrer nehmen den Fuß vom Gas. Nur wenn es um die Umwelt geht, zeigen Deutsche Bereitschaft, weniger zu rasen. Immerhin befürwortet jeder zweite eine generelle Reduzierung der Geschwindigkeit um 10 km/h, wenn es der Umwelt hilft.
Verkehrserziehung und Präventionsmaßnahmen gelten den Deutschen zwar als wichtig - aber nur für die anderen. 97 Prozent befürworten entsprechende Kampagnen, doch nur ein Fünftel lässt sich selbst dadurch beeinflussen. Damit belegen die Deutschen den letzten Platz hinter allen anderen Autofahrer-Nationen.
Das mag auch daran liegen, dass im Vergleich zum Ausland die deutschen Strafen für Verkehrsdelikte relativ gering sind. Dennoch ist fast die Hälfte (44 Prozent) der Meinung, dass Verkehrssünder hierzulande ausreichend bestraft werden (2008: 36 Prozent). Dies könnte im Zusammenhang mit der Neuauflage des Bußgeldkatalogs zum 1. Februar 2009 stehen, mit der die Bußgelder teilweise deutlich erhöht worden sind.
Auffallend ist, dass Autofahrer aus Ländern, in denen bereits hohe Strafen auf Verkehrsdelikte erhoben werden, besonders häufig weitere Verschärfungen fordern. Beispiel Italien: Obwohl italienische Handy-Sünder mit knapp 600 Euro Bußgeld tief in die Tasche greifen müssen, ist fast jeder zweite befragte italienische Autofahrer (48 Prozent) der Meinung, dass das generelle Strafmaß für dieses Delikt noch nicht ausreiche (Deutschland: 28 Prozent).
Den Kampf der Geschlechter hinterm Steuer konnten die Frauen hauchdünn für sich entscheiden. 51 Prozent der befragten Fahrer und Fahrerinnen halten Frauen für kompetenter, nur 19 Prozent sind der Meinung, Männer seien die besseren Fahrer. Bei Verkehrsdelikten jedoch belegen Männer die unrühmlichen ersten Plätze. Während rund ein Drittel (31 Prozent) hin und wieder ohne Freisprechanlage im Auto telefoniert, sind es bei den Frauen nur 18 Prozent.
Männer (31 Prozent). missachten auch häufiger als Frauen (20 Prozent) den Sicherheitsabstand und neigen eher zum Raserei. Sie fahren auch dreimal häufiger als Frauen nach zwei oder mehr alkoholischen Getränken Auto (16 Prozent versus 5 Prozent) Und während acht von zehn Frauen (78 Prozent) denken, dass Geschwindigkeitsbeschränkungen der Unfallvermeidung dienen, sind nur 60 Prozent der Männer dieser Meinung fast ein Viertel meinen, Tempolimits seien vor allem eine Einnahmequelle für den Staat (gegenüber 11 Prozent bei den Frauen).
Laut Statistischem Bundesamt starben 2008 in Deutschland 12 Prozent aller Verkehrstoten an den Folgen eines alkoholbedingten Verkehrsunfalls. Alkohol am Steuer ist gefährlich, meinen auch neun von zehn deutschen Autofahrern, jeder zehnte fährt gelegentlich trotz Alkoholkonsums. Im europäischen Durchschnitt sieht es viel schlechter aus: Jeder fünfte Autofahrer (21 Prozent) setzt sich ab und zu alkoholisiert ans Steuer.
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