Starke Steigerung bei Virenangriffen
Die Vermehrung von Computerviren hat im vergangenen Jahr ein vorläufiges Hoch erreicht. Mit bis zu 600 000 monatlich neu entdeckten «Schädlingen» erreichten die Angriffe auf Computersysteme ein bislang unbekanntes Ausmaß, schätzt der Magdeburger Virenexperte Andreas Marx, Geschäftsführer der AV-Test GmbH, ein. Noch 1995 gab es weltweit gerade einmal 5000 solcher Programme, die sich damals meist über Disketten verbreiteten.
Seit über 15 Jahren beschäftigt sich Marx mit Computerviren. Er gilt als einer der führenden Spezialisten in Deutschland, die sich mit den Bedrohungen für Computernutzer befassen. Als Schüler belegte er 1996 beim Wettbewerb «Jugend forscht» den fünften Platz mit einer selbst entwickelte Antiviren-Software. Als Student gründete er ein Unternehmen, das Sicherheitssoftware testet.
Insgesamt sei die Situation deutlich komplizierter geworden, sagt Marx. Noch vor wenigen Jahren seien die Entwickler von Antivirensoftware hinter den Schreibern von Malware - ein Kunstwort aus dem englischen Wort malicious für boshaft und Software -hinterher. Heute könnten Gegenmittel mit der Aussendung neuer Viren kaum noch Schritt halten.
Marx nennt diese Situation «bedenklich». Längst sei das Internet dadurch zu einem Betätigungsfeld für organisierte Kriminalität geworden. Die technischen Möglichkeiten der Ermittler seien begrenzt, während auf der anderen Seite eine regelrechte Forschung und Entwicklung betrieben werde. Durch den gezielten Einsatz so entstehender Programme ließen sich Jahr für Jahr steuerfrei Milliardenumsätze erzielen.
Allein der Handel mit ausspionierten Nummern von Kreditkarten erweise sich auf dem Schwarzen Markt bei einem «Stückpreis» von bis zu sechs Dollar und einem Volumen von 10 000 Datensätzen je Transaktion als lukratives Geschäft.
Um diese kriminellen Aktivitäten im Internet bestmöglich betreiben zu können, ist eine völlig neue Generation von Computerviren entstanden. Ihre Signaturen sind immer schwerer auszumachen, die Anwendungen werden ständig optimiert und regelrecht auf Vorrat produziert. «Halbwertszeiten« von sieben Stunden gehörten zum Alltag. Dann tauche das Virus bereits in einer neuen Variante auf, sagt Marx. Es gebe allerdings auch Beispiele, bei denen erste Änderungen bereits nach 10 bis 15 Minuten erfolgten.
Zur Verbreitung dient nach wie vor die E-Mail. Angriffe beispielsweise mit Würmern wie »I Love You«, der 2000 in kürzester Zeit Millionen von Rechnern weltweit infizierte und zum Nachrichtenthema wurde, gehören der Vergangenheit an. Mit gefälschten Links, die den arglosen Nutzer auf getarnte Internetseiten lenken, versuchen die Kriminellen nach wie vor unter anderem Kontodaten zu erhalten. Außerdem werden über Sicherheitslücken in Internetbrowsern oft unerkannt Programme auf den Computer »geschleust«. Sowohl beim Internetexplorer von Microsoft als auch bei Firefox traten allein 2007 jeweils über 100 Sicherheitslücken zutage.
Als zweite Schiene, auf der Computerviren verteilt werden, dienen zunehmend Internetseiten, die unter anderem durch Sexangebote »attraktiv« gemacht werden. Durch einen falschen Klick lädt sich der Nutzer dann einen Schädling auf seinen Rechner. Mit deren Hilfe lassen sich durch die trickreichen Angreifer Vorgänge zum Beispiel beim Online-Banking protokollieren und später manipulieren.
Als wichtigstes Gegenmittel empfiehlt der Magdeburger Experte ordentliche Antivirensoftware und eine zuverlässige Firewall. Daneben rät er nach wie vor zu einem »gesunden Misstrauen«. Keinesfalls solle auf alle virtuellen Schalter geklickt werden, die der Mauszeiger berührt. Mit einer Art »Tarnkappentechnik» erweisen sich die kriminellen Bemühungen nach wie vor als erfolgreich. Schädliche Programme lassen sich dadurch kaum erkennen. Andreas Marx schätzt den weltweiten Bestand an Computerviren aller Couleur auf gegenwärtig knapp acht Millionen.
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