Probleme mit Unfallersatztarifen bei Leihwagen
Die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zum „Unfallersatztarif“ kann zu Problemen führen. Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 19.04.2005 - VI ZR 37/04 - NJW 2005, 1933) schränkt die Erstattungsfähigkeit der Mietwagenkosten nach einem unverschuldeten Unfall weiter ein.
Dem Geschädigten werden bei Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zum Unfallersatztarif die Mietwagenkosten nur ersetzt, wenn er nachweist, dass er aus besonderen Gründen nicht zum Normaltarif anmieten konnte. Unter Umständen kann der Geschädigte verpflichtet sein, bei der Anmietung seine Kreditkarte einzusetzen oder eine Kaution zu stellen.
Wer unverschuldet einen Verkehrsunfall erlitten hat, kann für die Zeit des unfallbedingten Ausfalls seines Fahrzeugs entweder Nutzungsausfall verlangen oder ein Ersatzfahrzeug anmieten. Kraftfahrzeuge können zu einem „Normaltarif“ oder zu einem „Unfallersatztarif“ angemietet werden, der regelmäßig teurer ist. Hierzu hatte der Bundesgerichtshof ursprünglich die Auffassung vertreten, dass der Geschädigte nicht schon dadurch gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt, dass er ein Fahrzeug zu einem (teureren) „Unfallersatztarif“ anmietet. Solange sich ein Mietwagentarif im Rahmen des Üblichen hielt, waren die Mietwagenkosten in vollem Umfang zu ersetzen. Nur wenn die verlangten Mietwagensätze erkennbar außerhalb des Üblichen lagen, durfte der Geschädigte keinen Mietvertrag auf Kosten des Schädigers abschließen. Dies führte in der Vergangenheit regelmäßig dazu, dass dem Geschädigten Mietwagenkosten auch dann in vollem Umfang zu ersetzen waren, wenn er einen Mietwagen zu einem Unfallersatztarif angemietet hatte, es sei denn für den Geschädigten war bereits bei Anmietung erkennbar, dass es einen billigeren Normaltarif und einen teureren Unfallersatztarif gab und dass er auch zu einem billigeren Tarif hätte anmieten können.
In den folgenden Entscheidungen (> > Urteile vom 12.10.2004, Az.: VI ZR 151/03, NJW 2005, 51 und vom 26.10.2004, Az.: VI ZR 300/03, NJW 2005, 135) hatte der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass diese Grundsätze keine unbeschränkte Geltung mehr beanspruchen könnten. Während früher unfallgeschädigten Verkehrsteilnehmern nur der „Unfallersatztarif“ angeboten wurde, hätten sich jetzt möglicherweise die Marktgepflogenheiten insoweit geändert, als zumindest auf Nachfrage auch ein „Normaltarif“ angeboten werde.
In dem Urteil vom 19.04.2005 unterstellt der BGH, dass einem Geschädigten die kontroverse Diskussion über die Erstattungsfähigkeit des Unfallersatztarifs und die neuere Rechtsprechung dazu bekannt sind. Der teurere Unfallersatztarif wird jetzt nur noch ersetzt, wenn er durch besondere, unfallbedingte Leistungen des Vermieters gerechtfertigt ist. Die Beweislast für die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu beurteilende Berechtigung einer Erhöhung gegenüber dem Normaltarif trägt der Geschädigte.
Deshalb wird jetzt von dem Geschädigten verlangt, dass er sich erkundigt, ob ein Ersatzfahrzeug zu einem günstigeren Tarif angemietet werden kann. Es sind ein oder zwei Konkurrenzangebote einzuholen, falls die Umstände dies erlauben. Wer allerdings Samstag nachts auf der Autobahn schuldlos in einen Unfall verwickelt wird, dem wird man kaum zum Vorwurf machen können, dass er in der Nacht ein Fahrzeug zum Unfallersatztarif angemietet hat, ohne zuvor Vergleichsangebote einzuholen.
Wer jetzt noch ein Ersatzfahrzeug zum Unfallersatztarif anmietet, muss angesichts der neuesten Rechtsprechung mit erheblichen Problemen bei der Schadensregulierung rechnen. Die Versicherer werden, ebenso wie Gerichte, jeweils im Einzelfall prüfen, ob die Anmietung zum Unfallersatztarif zur Beseitigung des Schadens „erforderlich“ war. Nach Auffassung des BGH muss unter Umständen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geprüft werden, ob die höheren Mietwagenkosten durch die besondere Unfallsituation gerechtfertigt waren. Selbst wenn dies der Fall ist, muss der Geschädigte weiter nachweisen, dass es ihm nicht möglich war, zu dem günstigeren Normaltarif anzumieten. Wenn eine Anmietung zum Normaltarif nur unter Einsatz der Kreditkarte möglich war, wird künftig auch geprüft, ob dem Geschädigten der Einsatz der Kreditkarte oder die Stellung einer Kaution möglich und zumutbar gewesen wäre.
Tipp: Die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zum Unfallersatztarif kann für den Geschädigten wegen der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung zu nicht absehbaren Problemen bei der Erstattungsfähigkeit der Mietwagenkosten führen. Es sollte deshalb vor Inanspruchnahme eines Mietwagens geprüft werden, ob man nicht besser Nutzungsausfall nach der Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch verlangt. Wird ein Mietwagen benötigt, kann der Geschädigte sich bei der gegnerischen Versicherung erkundigen, ob diese bei der Vermittlung eines Mietwagens ohne zusätzliche Kosten für den Mieter behilflich sein kann. In jedem Fall sollte die Möglichkeit geprüft werden, ob eine Anmietung zum Normaltarif möglich ist. Der Geschädigte sollte bei dem Autovermieter vor Abschluss des Mietvertrags abklären, ob und gegebenenfalls welche Kosten möglicherweise von der Versicherung nicht übernommen werden. Es wird empfohlen, ein oder zwei Vergleichsangebote einzuholen. Um eine Belastung mit „Eigenersparnis“ möglichst zu vermeiden, sollte ein Fahrzeug einer niedrigeren Klasse angemietet werden. Von den Autovermietern wird künftig verlangt werden müssen, dass sie ihre Kunden über die neuere Rechtsprechung und deren Konsequenzen umfassend aufklären.
ARD Ratgeber - Auto