Brandbrief eines Stuttgarter Grundschul-Rektors
"Helikopter-Eltern" werden zu massivem Problem
Sie tragen ihren Kindern den Ranzen bis ins Klassenzimmer und stören den Unterricht: Ein Schulleiter
einer Stuttgarter Grundschule beschwert sich in einem offenen Brief über Eltern.
Blaue Briefe im Briefkasten sind bei Eltern lernschwacher oder auffälliger Schüler besonders vor dem
Ende eines Schuljahrs keine Seltenheit. Dass drohende Briefe allerdings an die Eltern selbst adressiert
werden, ist dagegen ungewöhnlich. Doch genau dieser Umstand hat sich nun an einer Stuttgarter Grund-
schule ereignet. Der Schulleiter der Schillerschule in Bad Cannstatt hat einen Brandbrief wegen massiver
Störungen des Schulbetriebs an die Eltern der Grundschüler verschickt, wie die "Stuttgarter Zeitung" berichtet.
Als Gott die Hölle schuf, reservierte er sieben Achtel für Elternabende. Eltern können verdammt anstrengend
sein. Diese Erfahrung macht jeder, der nur einmal in die Verlegenheit geriet, sich den Hintern auf einem Eltern-
abend platt zu sitzen. Es ist eine Begegnung der dritten Art. Man trifft Mütter und Väter, bei denen man sich mit
leisem Schrecken fragt, wie es wohl wäre, wenn man sich mit ihnen auch nur einen Tag lang ein Büro teilen
müsste.
Erwachsene Menschen, die genau das fragen, was zuvor schon gefühlte 99 Mal beantwortet wurde. Die neben-
bei ans Handy gehen, wenn es mitten in der Veranstaltung klingelt ("Nein, Yannick, der Elternabend ist noch nicht
vorbei, die Mama beeilt sich aber, okay?"), und gar nicht daran denken, sich für diese Störung zu entschuldigen.
Die den Abend stattdessen noch unnötig in die Länge ziehen mit Vorträgen über erste Warnsignale von LRS oder
Lactose-Intoleranz. Die Stimmung steuert auf ihren Höhepunkt zu, wenn die Ratschläge an andere Eltern in For-
derungen umschlagen "Geben Sie Ihrem Kind um Gottes willen keine Schokolade mit. Meine Tochter hat eine
Nuss-Allergie."
Das Problem sind hier überfürsorgliche Eltern - oder auch "Helikopter-Eltern" genannt. Rektor Ralf Hermann
beklagt in dem Brief, "dass viele Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen, verkehrswidrig und häufig
gefährlich an der Kreuzung vor dem Haupteingang der Schule parken, Kind und Schulranzen ausladen, den
Ranzen teilweise bis ins Klassenzimmer tragen, dem Sohn oder der Tochter die Jacke abnehmen, helfen die
Hausschuhe anzuziehen und dann noch die Gelegenheit nützen, die unterschiedlichsten Dinge mit der Klas-
senlehrerin zu besprechen. Und all dies nicht selten nach Beginn des Unterrichts um 7.45 Uhr."
Rauchen vor der Schule kein gutes Vorbild
Hermann lege zwar viel Wert auf eine gute Beziehung zwischen Schule und Eltern, aber "in den letzten Wochen
wurden Offenheit und Ansprechbarkeit überstrapaziert." Bei wichtigen Anliegen hätte er aber weiterhin noch ein
"offenes Ohr".
Dennoch seien die dauerpräsenten Eltern in der Schule oft störend. Selbst zwischen Eltern und anderen Kindern
kommt es regelmäßig zu Konflikten. Weiterhin sei das Rauchen der Eltern vor dem Schulgelände kein gutes
Vorbild für die Schüler.
Da das Problem mit den etwa "50 Eltern" intern nicht gelöst werden konnte, ging Hermann den Schritt an die Öffent-
lichkeit. Auch wenn die Übervorsorge vieler Eltern in den letzten Jahren zugenommen hat, so empfindet es selbst die Elternbeiratsvorsitzende Heike Schneider an der Schillerschule als "ziemlich krass", auch wenn die Tendenz zur
Überfürsorge zahlreicher Eltern ein generell zunehmendes Problem in unserer Gesellschaft ist.
( Quelle: STERN )
Was denkt ihr darüber ?