Für mich mal wieder interessant zu sehen wie sich aus einem Rekordergebnis in den Vorjahren mit einem Schlag echte Probleme entwickeln können. Aber lest selbst - sehr guter Artikel aus der Zeit
ZitatAlles anzeigenWie viel Volk steckt noch in Volkswagen?
Volkswagen könnte bald zum weltgrößten Autohersteller aufsteigen. Was wie ein großer Erfolg klingt, ist in Wahrheit eine tiefe Krise: Wir zeigen, wo es bei VW hakt. von Matthias Breitinger
Das Ziel ist fast erreicht. Im Kopf-an-Kopf-Rennen um den Titel "weltgrößter Autohersteller" ist Volkswagen kurz davor, Toyota zu überholen. Im ersten Halbjahr setzte der VW-Konzern 5,07 Millionen Fahrzeuge ab, nur 30.000 weniger als Toyota. Den Preis, den Wolfsburger für den Wettlauf an der Spitze zahlen, ist jedoch hoch: Die Kernmarke VW, die rund die Hälfte des Konzernumsatzes erbringt, kommt auf eine schwache Rendite von gerade mal gut zwei Prozent.
Wie schlecht es um den Autobauer bestellt hat, belegt die Brandrede, die Konzernchef Martin Winterkorn kürzlich vor Führungskräften des Konzerns gehalten hat. Er zeigte sich ungewohnt selbstkritisch: Von "hausgemachten Problemen" war die Rede, von "Nachholbedarf" bei Wirtschaftlichkeit und Produktivität. Bis 2018 müsse die Rendite der Kernmarke auf sechs Prozent gebracht werden, fünf Milliarden Euro pro Jahr sollen eingespart werden. Wir zeigen, welche drei Kernprobleme die Lage von VW heute ausmachen.
1. VW fertigt zu viel selber
An der miesen Rendite von VW sind vor allem die hohen Kosten schuld – und die haben vor allem mit Problemen in der Produktion zu tun. So kämpft VW noch immer mit seinem Konzept des modularen Querbaukastens (MQB). Die Idee an sich ist bestechend: Um Kosten zu sparen, werden viele identische Bauteile in unterschiedlichen Automodelle eingebaut. So können verschiedene Fahrzeugtypen mit gleicher Architektur auf einem Band günstiger gefertigt werden.
Doch die Umsetzung der Baukastenstrategie sei ein "echter Kraftakt", räumt VW-Chef Winterkorn ein. Selbst zwei Jahre nach Einführung des Golf VII hat VW das neue System nicht im Griff, immer wieder muss das Stammwerk in Wolfsburg die Bänder anhalten. Auch VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh schimpft: "Unsere Kollegen zahlen die fehlerhafte Aufstellung und mangelnde Verfügbarkeit der Produktionsanlagen mit Mehrarbeit und Sonderschichten." Dieses Problem wurde intern Produktionschef Michael Macht angelastet, der jetzt geschasst wurde.
Zwar wurde unter seiner Führung der Ausstoß hochgefahren, um an Toyota heranzukommen. Allerdings gelingt es den Japanern, ihre rund zehn Millionen Fahrzeuge pro Jahr mit deutlich weniger Mitarbeitern herzustellen: Toyota hat über ein Drittel weniger Beschäftigte; dadurch ist auch der Umsatz pro Mitarbeiter höher. Das Problem hat auch Winterkorn erkannt: "Wir haben in der Produktivität gegenüber den Kernwettbewerbern unverändert erheblichen Nachholbedarf", räumte er in seiner Rede an die Führungskräfte ein.
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht das Hauptproblem darin, dass VW zu viel selber produziert: auch Getriebe, Achsen, Sitze – Teile, die andere Hersteller sich von Dritten liefern lassen. "VW hat deutlich höhere Arbeitskosten als Zulieferunternehmen, die üblicherweise stärker im Ausland produzieren", sagt Dudenhöffer. Fast jeder zweite VW-Mitarbeiter ist in Deutschland beschäftigt. "Kein Autobauer hat eine so hohe Fertigungstiefe wie VW." Das führe nicht nur zu höheren Kosten, sondern mache VW auch inflexibler als die Konkurrenz.
Auch Winterkorn fordert, den Einkauf zu optimieren: Volkswagen solle sich auf Kernkompetenzen fokussieren und sich von Dingen verabschieden, die bei Lieferanten profitabler gefertigt werden könnten. Nur: Wie schnell ist das umsetzbar? Es ist äußerst langwierig, Mitarbeiter in den deutschen Komponentenwerken abzubauen oder gar ein Teil dieser Werke zu verkaufen.
2. Volkswagen positioniert seine Marken nicht klar
Wie viel Volk steckt noch in Volkswagen? Am Passat lässt sich das Problem gut aufzeigen. Die Neuauflage des Mittelklassewagens erscheint im November – und sie ist so weit vom Massenmarkt entfernt wie keine Passat-Generation zuvor. Längst hat VW mit dem Passat nicht mehr die Konkurrenzprodukte von Ford und Opel im Blick, sondern nimmt etwa die Mercedes C-Klasse ins Visier. "Ein Auto mit Premium-Anspruch, aber ohne Premium-Kosten", wie VW-Chef Winterkorn bei der Vorstellung des Passat neulich erklärte.
Dieser Ansatz ist problematisch. Zum einen macht VW damit hausintern einem Audi A4 Konkurrenz. Zum anderen ist VW als Massenmarke etabliert und steht nicht für Premium: Wer eine Mercedes C-Klasse will, kauft sich auch eine und greift nicht zur etwas günstigeren VW-Alternative. Wo findet die aber noch ihren Platz, wenn von unten die Volkswagen-Marke Škoda nachrückt und selbst Modelle entwickelt, die Premium-Merkmale erhalten? Viele VW-Stammkunden kaufen da gleich den Tschechen.
Die Folge: Škoda gewinnt auf dem europäischen Markt Marktanteile hinzu, VW schrumpft. Oder muss seine Fahrzeuge günstiger losschlagen. Nach Berechnungen von Dudenhöffer wurde im ersten Halbjahr 2014 fast jeder dritte Neuwagen von VW als Eigenzulassung in den Markt gebracht – das sind Neuwagen, die auf den Hersteller selbst oder Händler zugelassen und dann als Tageszulassung oder Vorführwagen mit massiven Preisnachlässen von teils über 20 Prozent verkauft werden.
Dass die gewählte Strategie nicht funktioniert, zeigen auch die Probleme auf dem US-Markt: Im ersten Halbjahr 2014 stammten gerade einmal 2,2 Prozent aller in den USA verkauften Neuwagen von VW. 2012 waren es noch 3,0 Prozent. Im Juli ging der Absatz weiter zurück: Die Verkäufe fielen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 15 Prozent, während der Gesamtmarkt um neun Prozent wuchs. Eine "Katastrophenveranstaltung" nannte Konzernbetriebsratschef Osterloh das miese US-Geschäft.
Auch in den USA ist die Marke verwässert: VW platzierte etwa sein SUV Tiguan als hochwertige Konkurrenz zum BMW X1, doch die US-Kunden griffen lieber zum höherpreisigen X1. BMW verkaufte im ersten Halbjahr 2014 das Modell in den USA fast 99.500-mal, VW setzte vom Tiguan dagegen nur gut 13.000 ab. Die Positionierung als Premium-Marke funktioniert hier offenbar auch nicht.
Gleichzeitig läuft auch der Billig-Passat, der eigens im Werk Chattanooga hergestellt wird, deutlich schlechter als der an sich teurere Konkurrent Camry von Toyota. Im Juli kauften Amerikaner fünf Mal so viele Camrys wie Passats. Die Folge: Die Fabrik in Chattanooga ist nicht ausgelastet, was Geld verschlingt. Mit einem neuen großen Geländewagen, der unter dem Arbeitstitel Crossblue entwickelt wird und wohl ab 2016 in Chattanooga vom Band laufen soll, will VW-Chef Winterkorn die Auslastung verbessern.
3. VW verzettelt sich mit seinen Modellen
Im Bemühen, die weltweite Nummer eins zu werden, versucht Volkswagen, alle Nischen zu besetzen. Die Folge: Das Unternehmen bietet 310 unterschiedliche Modelle an. Manche davon werden nur in sehr geringen Stückzahlen gebaut. Etwa das Cabrio Eos oder den VW CC. Winterkorn fragte in seiner Brandrede selbstkritisch: "Realisieren wir manches eher, weil es machbar ist und begeistert, und nicht so sehr, weil es sich gut verkauft oder uns beim Ergebnis voranbringt?" Sprich: VW entwickelt Modelle am Markt vorbei. Man müsse den Mut haben, einige unrentable Modelle einzustellen.
Für die verschiedenen Modelle bietet VW zudem vielerlei Varianten an. Winterkorn mahnt deshalb eine "geringere Komplexität" an. Im VW-Konzern gibt es 350 Außenspiegel-Varianten und 700 verschiedene Stoßfänger, vor zehn Jahren waren es noch 300. Das bläht nicht nur die Entwicklungskosten auf, sondern führt auch zu Folgekosten bis hin zur Ersatzteilkette.
"Der Volkswagen-Konzern hat zwölf Marken – das sind zu viele", sagt Dudenhöffer. Das Festhalten an der Marke Seat ergebe keinen Sinn, sie stehe nur der Kernmarke VW im Weg. Besser sei es, Škoda als günstige Marke zu etablieren – etwa wie Dacia – und VW weiter als breit aufgestellten Volumenhersteller zu positionieren. Für das Premiumsegment schließlich habe der Konzern die Marken Porsche und Audi. Spielereien wie Bugatti und Ducati brauche Volkswagen erst recht nicht.
Der Autoexperte hält das Ziel, weltgrößter Autobauer zu werden, ohnehin für zweitrangig. "Der Titel hat keinen Wert an sich, der Größenvorteil ist nicht alles." Entscheidend seien Flexibilität und gute Auslastung der Produktionskapazitäten – an beidem mangele es
Zwar könnt ich schon wieder rückwärts essen, wenn ich den Namen Dudenhöffer lese, aber insgesamt zeigt der Artikel doch ein paar recht interessante Aspekte auf.
- Der MQB, welcher bisher nur auf dem Papier wirklich toll aussieht
- Das das Ziel "größter Autobauer" nichts bedeutet, wenn die Zahlen nicht stimmen
- Welche enormen Probleme eine so breite Modellpalette (für jeden was dabei) mit sich bringt [Mitsubishi macht ja das Gegenteil, zumindest aus wirtschaftlicher Sicher vielleicht der bessere, wenn auch nicht der beste Weg)
Wobei ich nicht ganz bestätigen kann, dass VW seine Marken schlecht positioniert. Einzelne Modelle sicher. Gerade das Wachsen von Superb und Octavia und das Verhältnis von Golf Variant zum Passat sind echte Probleme (Warum müssen Autos eigentlich dauernt größer werden? Früher waren Colt CA0 und CJ0 mal Golf Klasse ).
Aber die Ausrichtung der Marken ist eigentlich mehr als eindeutig...
Was man aber zu Gute halten muss: Man benennt Probleme eindeutig und sucht offensichtlich Lösungen. Andere Konzerne sind da weit behäbiger gewesen in der Vergangenheit (Bsp. GM).