Der Staat blitzt auch privat
Eigentlich dürfen nur Polizisten über die Geschwindigkeit auf deutschen Straßen wachen. Doch es gibt ein Hintertürchen: Kommunen dürfen Privatfirmen heranziehen, um über die Verkehrssicherheit zu wachen. Ein dickes Geschäft, meckert die Autofahrerlobby.
Offiziell gibt es sie gar nicht mehr - die privaten Sicherheitsdienste, die mit getarnten Radar-Kombis und ähnlichen Tricks Jagd auf Temposünder machen. Die Gerichte haben die Privatisierung der Geschwindigkeitsüberwachung nämlich eigentlich gestoppt.
Doch im Dienste der Kommunen sind private Firmen immer noch im Spiel, wenn es um Tempokontrollen und Milliardeneinnahmen geht. «Nein, gar nichts ist besser geworden», ereifert sich die Stimme am anderen Ende der Leitung - «ganz im Gegenteil. Autofahrer auf Deutschlands Straßen werden sogar immer häufiger durch unsinnige Radarfallen reglementiert und ohne klare Rechtsgrundlage abgezockt.»
Der Mann, der sich beim Thema Radarkontrollen in Rage redet, heißt Werner Erdhaus, versteht sich selbst als eine Art Robin Hood der Autofahrer und steht an der Spitze der von ihm gegründeten «Autofahrer Schutzvereinigung». Die kämpft seit 15 Jahren gegen die gängige Blitzerpraxis in Deutschland.
Tempoüberwachungen hält der 70-Jährige für ebenso überflüssig wie wirkungslos. «Durch Radarfallen wurde noch kein einziger Verkehrstoter verhindert», lautet ein von Erdhaus gern gebrachtes Argument. Gegen polizeilich organisierte Geschwindigkeitskontrollen richtet sich die Kritik des ehemaligen Unternehmensberaters aber nur in zweiter Linie. Zu Felde ziehen Erdhaus und seine Mitstreiter vor allem gegen Geschwindigkeitskontrollen, die von den Kommunen in eigener Regie durchgeführt werden.
«Privatblitzerei nennen wir das», sagt Werner Erdhaus. Mehrmals pro Woche ziehen die Leute von der Schutzvereinigung los, um in ihrem Aktionsgebiet, das sich von den Rhein-und-Ruhr-Metropolen bis hoch zur Nordseeküste erstreckt, mehr oder weniger listig getarnte Radarfallen der Kommunen ausfindig zu machen. Ist ein Standort aufgedeckt, verteilen die Anti-Radar-Aktivisten Blitz-Zettel am Ort, um den automobilen Teil der Bevölkerung vor der fiesen Falle zu warnen.
Auch davor, die Akteure an den Messgeräten mit allerlei Fragen zu behelligen, schreckt Erdhaus, der die 1500 Mitglieder der Schutzgemeinschaft hinter sich weiß und den übergroßen Teil der deutschen Autofahrer zumindest hinter sich fühlt, nicht zurück. «Habt Ihr eine Eichbescheinigung für das Gerät? Habt Ihr eine gesetzliche Ermächtigung für das, was Ihr hier macht? Denn Verkehrskontrollen sind hoheitsrechtliche Aufgaben und damit Sache der Polizei», sagt der Radarfallen-Gegner.
Hintertür in der Gesetzgebung
Bei den Tempomessungen der Kommunen erledigten Mitarbeiter privater Firmen jedoch nach wie vor den Dienst am Messgerät. Sogar eine Hausfrau, die nach viertägiger Kurzschulung mit der hochkomplizierten Radar-Technologie betraut worden war, habe er in Osnabrück ausfindig gemacht. Erdhaus holte die Presse, der Fall ging durch die Medien, das Thema «Kommunen engagieren private Dienstleister für die Tempokontrollen» kochte wieder einmal hoch.
Inzwischen haben sich die Wogen geglättet, meint Herbert Engelmohr, Jurist in der Rechtsabteilung beim Automobilclub von Deutschland (AvD). Kommunen, die Privatfirmen eine Lizenz zum Blitzen erteilten, wurden von den Gerichten gestoppt - und das schon vor Jahren, sagt der AvD-Rechtsexperte. «Eine Privatisierung der Geschwindigkeitsüberwachung ist nach der geltenden Verfassungslage in der Bundesrepublik nicht zulässig, da die Verkehrsüberwachung eine staatliche Aufgabe ist», zitiert Engelmohr aus der Sammlung der vom AvD archivierten Urteile.
Doch es existiert eine Hintertür. Im Rahmen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes dürfen sich Gemeinden Personal von Privatfirmen ausleihen. Die Leiharbeiter müssten lediglich der jeweiligen Gemeindeverwaltung unterstellt werden, heißt es in verschiedenen Gerichtsurteilen. Vom «Tätigwerden einer Privatfirma» können unter dieser Voraussetzung nicht mehr die Rede sein, bestätigten Richter.
In Bayern organisieren die Kommunen die Ausleihe von Überwachungspersonal seit Jahren gemeinschaftlich über sogenannte Zweckverbände. Das habe den Vorteil, dass nicht jede kleine Gemeinde ein eigenes Fahrzeug und eine EDV-Einheit anschaffen muss, dass nicht jeder noch so kleine Ort mit Datenauswertung, Datensicherheit, Konten- und Kassenverwaltung zu tun hat, sagt Stefan Brück vom Zweckverband Kreis Miltenberg. Das Mietpersonal erhalte zuvor haargenau die gleiche Schulung, wie reguläre Behördenangestellte, die zum Blitzeinsatz geschickt werden, beteuert Brück.
Vermutungen, ein finanzieller Ansporn könne hinter den Tempoüberwachungen jenseits der polizeilichen Aktivitäten stehen, weist er vehement von sich. «Für eine Stunde Verkehrsüberwachung mit dem mobilen Blitzgerät zahlen unsere Gemeinden 135 Euro.»
Erdhaus und seine Autofahrerschützer sehen das ganz anders. Dass es bei der Blitzerei weniger um Sicherheit als um lukrative Geschäfte geht, ist für den Radar-Gegner aus Niedersachsen so sicher wie das Amen in der Kirche. «Mittlerweile nehmen die Behörden bundesweit jährlich rund vier Milliarden Euro an Verwarn- und Bußgeldern ein. Das spricht doch für sich.»
iwi/kab/news.de/pi