Die Polizei rüstet auf und erkennt mittels Hightech Verkehrssünden, ohne
Autos stoppen zu müssen. Wer über einen bestimmten Gullydeckel rast,
hinterlässt dort alle Details über den Reifenzustand.Auf den ersten Blick sieht
der Gullydeckel aus wie jeder andere, grau und unscheinbar. Den
Unterschied erkennt man erst bei näherem Hinsehen: Unter einer getönten
Glasabdeckung verbergen sich Laser-Leuchtdioden, Videokamera und ein
superschneller Bilddatenrechner. Mit diesen Instrumenten wird jedes
vorbeifahrende Auto erfasst. Genauer gesagt: jeder Reifen, der über den
Hightech-Kanaldeckel rollt.
Während die Laser das Gummi abtasten, misst die Kamera mithilfe eines 3-D-Verfahrens
die Profiltiefe und speichert die Bilder, sobald der gesetzlich
vorgeschriebene Wert von 1,6 Millimetern unterschritten wird. Was dann
passiert, kennt jeder Autofahrer: Ein paar Hundert Meter hinter der
Messstation winkt ein Polizeibeamter mit der rot-weißen Anhaltekelle und
bittet zur Kasse.
Big Brother am Straßenrand: Die Polizei rüstet im Kampf gegen Verkehrssünder massiv
auf, und die neuartige Profilmessung ist längst nicht die einzige
Methode, mit Hightech die Autofahrer zu kontrollieren.
Bisher konnten die Beamten die Reifenprofiltiefe nur im Stand und mit eher primitiven
Messgeräten überprüfen. Demgegenüber arbeitet das System der
süddeutschen Firmen Procontour und Kontron vollautomatisch,
berührungslos und blitzschnell.
Tests auf der Bundesstraße 34
"Die Laser tasten die Reifenaufstandsfläche innerhalb von nur 2,4 Millisekunden ab.
In dieser Zeit erfasst die Kamera mehrere Bilder mit einer Frequenz von
bis zu 16.000 Bildern pro Sekunde", sagt Ingrid Einsiedler vom
Elektronikspezialisten Kontron. Dank dieser Echtzeitmessung soll die
Reifenkontrolle selbst dann noch einwandfrei funktionieren, wenn Autos
mit Tempo 120 über einen der Hightech-Gullydeckel rollen.
Um das Gerät zu installieren, benötigen die Beamten nur einen herkömmlichen
Kanalschacht: Sie entfernen die gusseiserne Abdeckung und setzen
stattdessen das passgenaue Messmodul ein. Bilder und Daten sendet die
Anlage per Funk in den Polizeiwagen.
Dass die Technik funktioniert, hat Procontour bei Tests auf der Bundesstraße 34 nahe dem
baden-württembergischen Waldshut bewiesen: Binnen vier Stunden wurden
immerhin zwölf Autos gestoppt und anschließend auf einem Parkplatz
nochmals überprüft, wo sich die Ergebnisse der Lasermessungen
bestätigten.
Die doppelte Kontrolle ist notwendig, denn noch hat die Physikalisch-Technische
Bundesanstalt das System nicht als amtliches Messgerät zugelassen. Wenn
die Zulassung aber kommt und die Messungen damit gerichtsverwertbare
Beweiskraft erlangen, könnten nach den Tempo- und Rotlicht-Blitzern bald
auch die ersten Reifenprofil-Blitzer am Straßenrand stehen.
Quarzkristallsensor im Fahrbahnbelag
Ein anderes Kontrollsystem, das ebenfalls im Untergrund arbeitet, hat die Schweizer
Firma Kistler entwickelt. Es basiert auf einem Quarzkristallsensor im
Fahrbahnbelag, der das Gewicht vorbeifahrender Autos erfasst. Damit
sollen überladene Lastwagen, Busse und Wohnmobile aufgespürt werden, die
für Straßen- und Brückenschäden verantwortlich gemacht werden.
Der Sensor ist ebenso präzise wie unscheinbar: Man muss lediglich eine acht Millimeter
breite Fuge in den Asphalt schneiden, um den Messfühler in Position zu
bringen. Sobald Autos über das Quarzelement fahren, erzeugen sie
unterschiedlich starke elektrische Signale, aus denen ein Computer die
jeweilige Radlast und letztlich das Fahrzeuggewicht ableitet.
In der Schweiz,in Großbritannien, den Niederlanden und auf der Dresdner
Loschwitzbrücke werden Lastwagen auf diese Weise schon automatisch
gewogen und bei verbotenem Übergewicht geblitzt.
Ein Hochgeschwindigkeits-Wiegefeld ist seit einigen Monaten auch in Bayern
im Einsatz. Auf der A 8 bei Bad Aibling erprobt die EU-Kommission auf
einem rund drei Kilometer langen Streckenabschnitt eine ganze Reihe
neuer Kontrollverfahren, mit denen Pkw- und Lkw-Fahrer künftig rechnen
müssen. Rund acht Millionen Euro lässt sich Brüssel das Projekt "Asset
Road" kosten, das zur "Sicherheit und Wirtschaftlichkeit des
Straßenverkehrs" beitragen soll. Die Losung der EU lautet: noch mehr
Kontrollen.
Dazu gehört das sogenannte Tracking und Tracing: Sieben Videokameras filmen den Verkehr
ab, halten Nummernschilder fest und geben die Daten von Kamera zu
Kamera weiter. "Wie bei einem Staffellauf", heißt es in der
Projektbeschreibung.
Mit dieser Bildverfolgung wollen Polizisten Abstands- und Temposündern auf die Spur
kommen. Ihre Kennzeichen werden am Ende der Kontrollstrecke endgültig
gespeichert und zusammen mit den Videoaufnahmen an die Bußgeldstelle
weitergeleitet. Das System wird zurzeit auch an anderen Autobahnstrecken
installiert.
Einblick in die Innenräume vorbeifahrender Autos
Der Clou der Videoverfolgung an der A 8 ist eine neuartige 3-D-Kamera, die finnische
Forscher entwickelt haben. Zwei übereinander angeordnete Objektive
nehmen das räumliche Bild einer Verkehrssituation auf und ermöglichen so
eine genaue Berechnung des Abstands zwischen den Autos. Auch die
Tempomessung, die das 3-D-Auge ermöglicht, ist eichfähig und hat vor
Gericht Beweiskraft.
Mehr noch: Die hochauflösenden Bilder bieten Polizeibeamten einen guten Einblick in die
Innenräume vorbeifahrender Autos. So werden Handy-Telefonierer und
Gurtsünder vollautomatisch und aus der Ferne ertappt. Ende dieses Jahres
soll die Überwachung reif für den Regelbetrieb sein.
Auch auf Rast- und Parkplätzen müssen Autofahrer mit Big Brother rechnen. Wenn
Lastwagen, Busse, Wohnmobile und Caravangespanne die Autobahn bremsen,
um die Autobahn zu verlassen, richten die Polizisten spezielle
Thermokameras auf sie. An Rädern mit schlechter Bremswirkung bleiben die
Bilder blau, während die Farben Rot und Orange auf große
Hitzeentwicklung und damit auf funktionierende Bremsen hinweisen.
So liefert die neue Messtechnik einen Anfangsverdacht, dem weitere Überprüfungen
folgen. Die Autobahnpolizei in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg
ist bereits mit solchen Thermografiekameras ausgerüstet.
Ins Visier der Fahnder geraten jedoch vor allem die Fahrer. Ihnen wollen Polizisten in
Zukunft tief in die Augen schauen, um einer der häufigsten
Unfallursachen vorzubeugen: Übermüdung. Dabei hilft der sogenannte
pupillografische Schläfrigkeitstest: Autofahrer müssen eine komplett
abgedunkelte Spezialbrille aufsetzen, in deren Gläsern zwei
Infrarotlichtpunkte aufleuchten.
Der niedersächsische Pupillomat
Die Aufgabe lautet, diese Lichtpunkte zu beobachten. Währenddessen misst der
Pupillomat, wie das Gerät genannt wird, mittels einer in die Brille
integrierten Kamera permanent Pupillendurchmesser und -schwingungen und
vergleicht die Ergebnisse mit empirisch ermittelten Durchschnittswerten.
Bei Müdigkeit zittert der Pupillenrand stärker als im wachen Zustand.
Zudem verändert sich bei müden Menschen die Pupillengröße.
Ein solcher Test liefert nach Ansicht von Fachleuten unbestechliche Hinweise, denn
Pupillenreaktionen werden vom Nervensystem gesteuert und lassen sich
nicht beeinflussen. Der Haken ist, dass die Augen über einen längeren
Zeitraum beobachtet werden müssen. Bisher dauert die monotone Prozedur
am Pupillomaten elf Minuten und wirkt allein deshalb ermüdend.
Die Autobahnpolizei in Niedersachsen hat den Pupillomaten im Vorjahr
erfolgreich eingesetzt und damit schläfrige Lkw-Fahrer überführt. "Müde
Fahrer haben ein siebenfach höheres Unfallrisiko", sagt Kommissar Jens
Platen von der Autobahnpolizei in Sittensen.
Der Test ist allerdings freiwillig und hat keine Konsequenzen, denn solange die
Fahrer ihre vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten einhalten, darf ihnen
die Polizei die Weiterfahrt nicht verbieten. Doch auch das könnte sich
bald ändern. In verschiedenen Ländern machen sich die Chefs der
Polizeibehörden derzeit für eine gesetzliche Regelung stark, um nach
Alkohol- und Drogentest auch den Blick in die Pupillen als amtliches
Kontrollverfahren einzuführen.
welt.de