Kommt die blaue Plakette nun doch ?
Stuttgart verhängt ab 2018 ein Fahrverbot für viele Dieselfahrzeuge. Das hat die grün-schwarze
Landesregierung beschlossen. News und Infos zur blauen Plakette!
Stuttgart verbannt ab 2018 bei Feinstaubalarm ältere Diesel aus Teilen der Innenstadt. Zur Ver-
besserung der stark mit Feinstaub belasteten Luft in der baden-württembergischen Landeshauptstadt
verhängt die grün-schwarze Landesregierung dann Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, die die Euro-
Norm 6 nicht erreichen. Dann werden besonders belastete Straßen für solche Diesel gesperrt.
Dies hat die Landesregierung am 21. Februar 2017 mitgeteilt. Land und Stadt sind in der Pflicht, dem
Verwaltungsgericht Stuttgart bis Ende Februar zu erklären, wie sie die Luft nachhaltig verbessern
wollen. Die Feinstaubwerte sind in der Landeshauptstadt deutlich zu hoch.
Laut Umweltbundesamt hielt Stuttgart 2016 den Negativrekord für schlechte Luft in Deutschland.
So wurden in der Straße Am Neckartor durchschnittlich 82 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter
gemessen, an 35 Tagen wurden sogar Spitzenwerte von mehr als 200 Mikrogramm notiert. Auch
auf der Hohenheimer Straße lag die Durchschnittsbelastung bei 76 Mikrogramm/Kubikmeter, die
200er-Marke wurden in zehn Stunden übertroffen. Gesetzlich erlaubt ist ein Wert von 40 Mikro-
gramm pro Kubikmeter.
Umweltbundesamt fordert blaue Plakette
Anlässlich des jetzt verkündeten Fahrverbots erneuerte Regierungschef Kretschmann seine For-
derung zur Einführung der blauen Plakette auf Bundesebene als "das wirksamste Instrument der
Luftreinhaltung". Das habe ein Gutachten gezeigt. Für die blaue Plakette gibt es allerdings bislang
keine Mehrheit auf Bundesebene. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lehnt es ab, mit einer
neuen Plakette Dieselfahrzeuge aus den mit Stickoxiden und Feinstaub belasteten Innenstädten
auszusperren. Das Umweltbundesamt wiederum stützt die Forderung nach einer blauen Plakette.
Es macht Diesel-Pkw für die hohe NOx-Belastung in Ballungszentren verantwortlich.
Die blaue Plakette ist in Deutschland umstritten. Sie wurde im August 2016 vom Bundesumwelt-
ministerium zunächst auf Eis gelegt. Das viel diskutierte Abzeichen sollen nur Fahrzeuge erhalten,
die so sauber sind, dass sie die Euro-6-Norm erfüllen. Vor allem älteren Dieselfahrzeugen könnte
damit die Einfahrt in Umweltzonen untersagt werden. Diesel gelten als Hauptverursacher der
Luftverschmutzung mit Stickoxiden.
Könnte die blaue Plakette kommen?
Das ist weiterhin nicht zu sagen, die Befürworter geben auch nach der Niederlage vor den
Länder-Verkehrsministern nicht auf. Állerdings gibt das Fahrverbot in Stuttgart den Befürwortern
neuen Schwung. Weiter arbeitet eine Arbeitsgruppe der Verkehrsministerkonferenz an Alternativ-
vorschlägen. Den ursprünglichen Plänen zufolge sollten schon 2017 erste blaue Zonen aus-
gewiesen werden.
Was genau ist die blaue Plakette?
Nach den Plänen von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sollte eine blaue Plakette
als Ergänzung zu den bereits vorhandenen roten, gelben und grünen Plaketten eingeführt werden.
Nur Pkw, die die Schadstoffnorm Euro 6 erfüllen, sollten den blauen Sticker bekommen und dürften
dann in die von Städten und Kommunen ausgewiesenen blaue Zonen einfahren. Das sind die
meisten Benziner und alle Elektroautos. Rund 13 Millionen Diesel wären aber ausgesperrt – da-
runter auch fast neue Autos, die erst 2015 mit der Euro-5-Norm gekauft wurden.
Was heißt das für Dieselfahrer?
Vorerst bleibt es bei den bestehenden Plaketten und Einfahrregeln für die Umweltzonen, rot, gelb
und grün – mit Ausnahme von Stuttgart. Nun hängt es von den möglichen Alternativvorschlägen
zum Senken der Stickoxid-Emissionen ab, ob es neuen Aufwind für die blaue Plakette gibt oder
die Pläne entgültig begraben werden. Allerdings deutet sich an, dass die besten Zeiten für Diesel
in Deutschland vorüber sind.
Wo liegt das Umweltproblem?
Hintergrund des Ganzen ist die anhaltend hohe Stickoxidbelastung in zahlreichen deutschen
Städten und Ballungsgebieten, die bereits ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutsch-
land ausgelöst haben. Die Bundesregierung steht unter enormem Druck, etwas für die Sauberkeit
der deutschen Luft zu tun – vor allem nach dem VW-Abgasskandal. Nur mit der Plakette könnten
Städte Fahrzeuge mit hohem Stickoxidausstoß aus stark belasteten Gebieten fern halten, arguen-
tiert der BUND.
Wer ist dagegen und warum?
Besonderen Widerstand gegen die blaue Plakette leistet das CSU-geführte Bundesverkehrsminist-
erium. Ressortchef Dobrindt vertritt die Auffassung, es sei wirkungsvoller, bei Fahrzeugen anzu-
setzen, die sich ständig im Stadtverkehr befinden, etwa Taxen, Busse oder Behördenfahrzeuge.
Dies diene der Reduzierung von Stickoxiden mehr als ein Einfahrverbot. Skepsis bis Ablehnung
kam vom Automobilverband VDA sowie Wirtschafts- und Verkehrspolitikern aus verschiedenen
Fraktionen. Doch auch Umweltverbände und der ADAC halten die blaue Plakette für falsch. Sie
fordern, dass der Schadstoffausstoß der Fahrzeuge dauerhaft gesenkt wird – und zwar in der
Realität und nicht nur auf dem Papier. Wären die Autos auf der Straße so sauber wie auf dem
Prüfstand, wäre die Luftverschmutzung deutlich geringer, so ihr Argument.
Würden Städte und Kommunen blaue Zonen ausweisen?
Durchaus denkbar. Remo Klinger von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ist sicher: Sollte die
Bundesregierung die Umweltplakette per Verordnung erlassen, würden Kommunen sie auch
einführen. Städte wie München oder Berlin warnten jedoch vor "sozialer Härte" bei der Einführ-
ung eines solchen Aufklebers. Es bedürfe Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen. Beispiels-
weise für Anwohner oder Betriebe, hieß es aus den Verwaltungen.
Würden komplette Innenstädte gesperrt?
Wohl kaum, heißt es auch aus dem Bundesumweltministerium. Dessen Chefin, Barbara
Hendricks, sagt: Es werde nicht so sein, "dass plötzlich 13 Millionen alte Diesel aus den Innen-
städten ausgesperrt werden." Eine Möglichkeit wäre, die neuen Fahrverbots-Zonen kleiner zu
gestalten als die schon existierenden Umweltzonen, die nur mit grüner Plakette befahren
werden dürfen. Jede Stadt oder Gemeinde bestimme selbst, wann und ob sie derartige Gebiete
ausweise. Wahrscheinlich ist, dass nur einige Straßenzüge, in den die Stickoxidbelastung
besonders hoch ist, zu blauen Zonen erklärt werden.
Hätten alte Diesel mit Partikelfilter eine Chance auf die blaue Plakette?
Nein, nur Diesel der Klasse Euro 6 bekämen eine blaue Umweltplakette, dafür ist aber eine
aufwendige Abgasreinigung nötig, ein Partikelfilter genügt nicht. Dennoch ist dessen Nachrüst-
ung sehr sinnvoll, da die Abgase mit Filter deutlich sauberer sind als ohne. Wer vorher eine
gelbe Plakette für sein Dieselfahrzeug hatte, bekommt mit Filter eine grüne - und kann somit
auch in die Umweltzonen einfahren. Doch mittlerweile ist die Förderung für ein Nachrüsten
mit Partikelfilter ausgelaufen, der Bundeshaushalt sieht für 2017 keine weiteren Fördermittel
mehr vor. Zuletzt hatte der Bund den Umbau mit 260 Euro gefördert, doch die Nachfrage
danach war äußerst zögerlich geblieben.
Wäre eine blaue Plakette überhaupt erlaubt?
Dem Münchner Anwalt Markus Klamert zufolge hätten bei einem Einfahrverbot in Innenstädte
Besitzer von Euro-5-Dieseln möglicherweise Anspruch auf Schadenersatz gegenüber Autoher-
stellern oder Autoverkäufern. Ein Anspruch bestehe aber nur, "wenn Hersteller oder Händler zum
Zeitpunkt des Verkaufs hätten wissen können oder müssen, dass eine blaue Plakette kommt und
welche Folgen sie haben würde." Anwalt Klamert zufolge könnte damit ein sogenannter enteig-
nender Eingriff vorliegen. Das sei der Fall, "wenn der Wert oder die Nutzbarkeit des Pkw durch die
neue Norm deutlich geschmälert wird". Somit käme eine staatliche Entschädigung infrage. Der
enteignende Eingriff sei gegenüber dem Wohl der Allgemeinheit aber abzuwägen.
Wie ist die Lage in den anderen EU-Ländern?
Kaum ein Trost ist, dass Deutschland nicht allein ist mit seiner zögerlichen Haltung bei der Stickoxid-
reduzierung. Laut Mitteilung der EU-Kommission haben 17 Mitgliedstaaten seit 2010 Grenzwertüber-
schreitungen gemeldet, unter anderem seien gegen Großbritannien, Portugal, Italien, Spanien und
Frankreich Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
Quelle : dpa/Reuters/brü/mas/cr