Hier ein, wie ich finde, schöner Bericht über den Evo.
ZitatAlles anzeigenMitsubishi Lancer Evo: Habe die Quere!
Nach einem knappen Vierteljahrhundert endete unlängst die Produktion des Mitsubishi Lancer Evolution. Wir blicken zurück auf einen Helden des Motorsports, der im Laufe seiner Karriere nur von einem überholt wurde: den Zeichen der Zeit.
Er war immer schon ein großer Rechenkünstler. Denn egal ob Asphalt, Schotter oder Schnee. Nässe, Eis oder trockene Bahn, er bog jede Variable der Straßengleichung zu einem gemeinsamen Nenner hin: Grip. Der Untergrund war ihm herzlich egal. Er verstand es wie kein Zweiter, seine Turbopower stets so gut es ging in Vortrieb umzuwandeln. Ausgerechnet ein wild gewordener Viertürer aus dem fernen Japan definierte den sportlichen Wirkungsgrad neu, und weil die Ehre der Revolution, den Allradantrieb für Sportautos zu domestizieren, einer anderen Marke als Mitsubishi zusteht, konnte es für ihn einfach keinen besseren Namen geben: Evolution.
Um im Jahre 1992 in der obersten Liga des Rallyesports teil nehmen zu dürfen, musste man als motivierter Hersteller von einem Modell 5000 Stück produziert haben, um damit an den Start gehen zu dürfen. Mitsubishi benötigte zu jener Zeit gerade einen Image-Wandel, nachdem die Erfolge der 1980er im beginnenden Dieselzeitalter zu ersticken drohten. Warum also nicht die Lücke im Sport füllen, die vorher der Audi Quattro und der Lancia Delta bedienten? Dass als Basis der brave Lancer her halten musste, wirkte nur auf den ersten Blick etwas skurril.
Aber schließlich waren es die frühen Vertreter dieser Baureihe, die bereits in den 1970ern etwa bei der East African Safari Rallye immer und immer wieder die durchwegs stärkere europäische Konkurrenz panierten. Gegen jede Wette ließ sich der zähe Japaner gnadenlos über die miesesten Pisten von Tansania prügeln und ging auf dieser 5000-Kilometer-Schufterei einfach nicht kaputt. Der perfekte Nährboden für den unzerstörbaren Ruf japanischer Automobile – ja und eben für einen Wiedereinstieg in den internationalen Rallyesport.
Insofern war der Lancer Evolution eines der wenigen Autos, bei dem ein riesiger Heckflügel nie peinlich wirkte. Er gehörte zur Arbeitskluft, würde er keinen Sinn ergeben, hätte man ihn nie homologiert. Von Anfang an stattete Mitsubishi seine Speerspitzen mit Allrad und einem Zweiliter-Vierzylinder aus, den ein nicht zu spärlich dimensionierter Turbolader unter Druck setzte. Zu jener Zeit eine exotische und aufregende Kombination, und während anfangs noch 250 PS reichen mussten, waren es beim Evo IV derer schon 280.
Evo Nummer vier nach nur vier Jahren? Jep, wie gesagt: Mitsubishi verfolgte eisern einen Plan und ließ es sich nicht nehmen, jedes Jahr ein neues Modell aufzulegen. Waren die ersten drei Varianten bis auf Kleinigkeiten im Prinzip immer das gleiche Auto, ging es ab Nummer vier mit der neuen Karosserie konsequent weiter. Spoiler wuchsen heftiger denn je, die Verteilung der Antriebskraft auf die Antriebsräder erhoben die Ingenieure immer mehr zur Wissenschaft und etablierten den Evo, wie er von den Fans nur mehr genannt wurde, zu einem eigenständigen Modell.
Und zu einer lupenreinen Fahrmaschine. Wen interessieren schon ferne Rennstrecken. Auf der Straße, auf wirklich jeder Straße, ging es mit dem Evo vorwärts, als würde man die Strecke im schnellen Vorlauf abspulen. Der schlaue Allradantrieb war fast schon erschreckend effizient, und die Motorleistung dank der leichten Fahrbarkeit jederzeit voll nutzbar. Da sah man gerne über manch Verarbeitungsschwäche hinweg, denn zum Angeben war der hemdsärmelige Lancer sowieso nichts.
Aber auf dem Parkett des internationalen Motorsports, da gelang Mitsubishi ein Meisterstück nach dem anderen. Tommi Mäkinen schaffte es, vier Fahrertitel in Serie einzufahren. Die gewonnene Herstellermeisterschaft 1998 krönte diese Siegesserie, die Evo-Modelle 5 und 6 galten alsbald als unschlagbar und wurden zum Basisgerät zahlloser Privatfahrer auf der ganzen Welt. Wie war das nur möglich? Mitsubishi konnte nicht nur verdammt gute Autos bauen. Sie nutzten auch das Reglement konsequent für sich.
Oder anders gesagt: Die Gruppe A war vielen Herstellern einfach zu teuer geworden. Extra ein Auto mit Allrad und Turbo aufzulegen, um Rallyefahren zu dürfen? Nein, danke. Also kam 1997 die WRC-Regelung hinzu: Das Einsatzfahrzeug durfte ein reiner Prototyp sein, musste nur ungefähr einem Serienmodell gleichen, sündteure Homologationsserien mit aufwändigem Antriebsstrang waren nicht mehr nötig. Die strengen Auflagen, wie diese Fahrzeuge aussehen und wie sie gebaut sein mussten, ergaben Anfangs aber erhebliche Nachteile gegenüber den Gruppe-A-Autos – und genau das nutzten die Evos für sich aus.
So ging 1999 noch der letzte Titel an Mäkinen, bevor Mitsubishi 2001 nach einer Schaffenspause auf das neue Reglement umsteigen musste – und nichts mehr ausrichten konnte. Der neue Evo 7 war zwar ein faszinierendes Straßenauto, nur bot er als Basis im Vergleich zur Konkurrenz von Citroen und Ford (zu breit, zu lang, zu schwer) mehr Nach- als Vorteile. Der Rest ist entsprechend schnell erzählt: Da man an alte Erfolge nicht mehr anschließen konnte, betrieben die Japaner etwas lustlos diesen Sport auf Werksbasis noch bis Ende 2005.
Da man fortan kein sportliches Basismodell mehr benötigte, versuchte man, den Evo als höherwertigeren Alltagssportler zu positionieren. Vom Evo 8 gab es sogar eine Variante mit kleinem Heckspoiler und bequemen Ledersitzen, was so gar nicht zum billigen Großserienplastik im Innenraum passen wollte. Es war also irgendwie der Wurm drinnen.
Der Motorsport auf Werksbasis war schon lange Geschichte, als der letzte Evo an den Start ging. Offiziell war er nie die Nummer 10, was schon ein wenig wie ein Abgesang wirkte. Sicher war er technisch ambitioniert, hatte aktive Differenziale, Allrad, Turbo und all den anderen Prunk schneller Autos – aber den hatten mittlerweile viele andere auch.
Zudem wirkte die neue Plattform zu behäbig, zu groß, einfach nicht mehr so gnadenlos sportlich wie fast alle seiner Vorgänger. „Sicher gibt es immer noch Nachfrage nach dem Evo“, erklärte der Produktverantwortliche Gayu Eusegi in einem Interview, „aber wir müssen die Serie einfach beenden.“ Zeit, den Hut zu nehmen.
Ein Modell aus Imagegründen aufzulegen und keinen Cent daran zu verdienen, das ging in den harten Nuller-Jahren, zu Zeiten des SUV-Booms einfach nicht mehr. Und überhaupt: „Mitsubishi plant nicht, das alte Konzept einer Hochleistungslimousine mit Allrad und Benzinmotor weiterzuverfolgen“, teilte der Hersteller zum Produktionsende mit.
„Mitsubishi wird alle Möglichkeiten prüfen, wie das Konzept von High-Performance-Modellen mit Elektroantrieb verknüpft werden kann.“ Oder etwas weniger blumig ausgedrückt: Der Evo ist Geschichte. Und wir sagen zum Abschied: Danke für die Show!
Quelle: http://www.kleinezeitung.at/k/…Lancer-Evo_Habe-die-Quere