In Frankreich verdonnerte ein Gericht einen Knirps im besten
Spielzeugalter zu einer saftigen Geldstrafe. Seine Familie fand eine
irre Gesetzeslücke, um Knöllchen auf den Sohnemann abzuwälzen.Seit Juli 2010 spielte eine Familie aus dem südfranzösischen Cannes auf
den Straßen "Easy Rider". Sie scherte sich weder um
Geschwindigkeitsbegrenzungen noch um geordnetes Parken. Auch
Mautgebühren auf Autobahnen wurden geprellt. TÜV abgelaufen? Ach, was
soll’s.
Der Kleine wird’s schon zahlen.
Die Zahl der Verkehrsverstöße summierte sich in zwei Jahren auf 70, es
entstanden Forderungen in Höhe von 23.138 EUR. Als der Knirps aus
verständlichen Gründen säumig blieb, zogen die Behörden vors Gericht.
Ein Gericht in Antibes verhandelte jetzt den Fall – in Abwesenheit der
Familie – und kam zu einem erstaunlichen Urteil: Weil der Filius keinen
Führerschein besitzt, fallen für die 70 Verkehrsdelikte zwar keine
Punkte an. Die Bußgelder in Höhe von 23.138 EUR aber muss er bezahlen.
Der Vierjährige wohlgemerkt, die Eltern können nicht belangt werden,
stellte die Justiz fest. Da der Kleine aber nicht strafmündig ist, muss
die Staatskasse noch auf die Vollstreckung warten.
Was das mit Moral und Anstand zu tun hat, wenn künftig Eltern ihre
Verkehrssünden auf ihre Kinder abwälzen können, mag äußerst bedenklich
sein. Dass es überhaupt soweit kommen kann, ist auf eine Gesetzeslücke
zurückzuführen. Seit 1984 können Minderjährige in Ausnahmefällen den
Führerschein erwerben. Damit ist auch die grundsätzliche Möglichkeit für
Heranwachsende verbunden, ein Auto zu erwerben. Für eine Zulassung ist
jedoch ein Führerschein nicht zwingend notwendig. Als Inhaber der "carte
grise", des Fahrzeugschein, haftet er für Delikte, es sei denn, er
benennt den tatsächlichen Verkehrssünder.
Auch in Deutschland können Autos auf Minderjährige zugelassen werden,
zum Beispiel, wenn steuerliche Vorteile für ein behindertes Kind geltend
gemacht werden können. Allerdings können sie niemals Halter werden.
Dafür müssen sie nach deutschem Gesetz die Verfügungsgewalt über das
Auto besitzen. Diese Differenzierung zwischen Halter und Besitzer gibt
es in Frankreich nicht.
Ob die Eltern bewusst die Lücke genutzt haben, oder nach der Devise
Augen zu und durch verfahren haben, ist nicht bekannt. Die französischen
Behörden befürchten jedoch, dass die Zulassungen auf Minderjährige
rapide ansteigen könnten, wenn die Gesetzeslücke nicht geschlossen wird.
welt.de