Halb- und Scheinwissen das hausieren geht

Ja - ich habe auch so ein Beispiel, leider nicht durch einen Videobeweis belegbar. Ich muss vorraus schicken, das Geschichte sowas wie eine heimliche Leidenschaft von mir ist - speziell alles ab dem Mittelalter bis in die Gegenwart. Dazu gibt es drei Steckenpferde die mich besonders interessieren : Architektur des ausgehenden Mittelalters (1350-1550), das deutsche Kaiserreich und die einsetzende Industrialisierung Deutschlands (1850-1910) und der gesamte zweite Weltkrieg (1937-1946, inkl. Vorgeplänkel und direkte Nachwirkungen )
Ich sammle hierzu alles an DVDs und Dokumentationen, das ich zu diesen Themen finden und günstig erhalten kann. Ferner besuche ich gern Museen und belese mich im Web zu diesen Themen. Ich bin also nicht ungebildet wenn es um Geschichte geht. Mich hat es immer fasziniert, zu "erforschen", wo wir herkommen und wo unsere Wurzeln liegen.

Gut, nun zu der Sache, die ich diesem Thread beifügen will. Mein Sohn hatte vor einigen Jahren heftige Probleme in der Schule und wir führten damals eine unschöne Auseinandersetzung mit der Bildungseinrichtung. Auf einen Geschichtsvortrag zum zweiten Weltkrieg, den ich mit ihm zusammen ausgearbeitet habe, hat er lediglich eine 4 bekommen. Alle seine Klassenkameraden fanden das ungerecht da wir ein sehr interessantes Referat erarbeitet hatten. Die Randnotizen des Lehrers auf dem Referat haben mich nicht nur einmal den Kopf schütteln lassen. Die Auseinandersetzung mit der Schule befand sich zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt. Schlussendlich führte es dazu das ich über das zuständige Schulamt rechtlich erzwungen habe, beim Unterricht des betroffenen Lehrers für 3 Stunden dabei sein zu dürfen. Der Lehrer, um den es hier geht, ist zugleich der Direktor der Schule und er sitzt im Stadtrat einer bekannten Stadt in der Nähe unseres Heimatortes. Name des Lehrers, der Schule und Ortschaftsbezeichnungen lasse ich weg. In anbetracht der Tatsache, das die Vorgänge bereits etwa drei Jahre zurück liegen, tut das heute nichts mehr zur Sache.

Ich nahm also an einer der nächsten Geschichtsstunden teil. Noch immer ging es um den zweiten Weltkrieg. Konkret war an diesem Tag der japanische angriff auf Pearl Harbor Thema der Stunde. Der Lehrer hatte über einen Beamer eigentlich eine Powerpoint-Präsentation vorgesehen. Zunächst kämpfte er mit den Tücken der Technik und bekam die PPT nicht zum Laufen. Er verschwand ganze 15 min. um mit einem Kollegen zurück zu kehren, der ihm mit zwei Mausklicks die Präsentation startete. Auch im Fortgang der Prässentation verklickte er sich regelmäßig so das er offenbar Seiten übersprang. Bei den Seiten, die wir zu sehen bekamen, beschränkte er sich darauf den Text unter dem Bild abzulesen. Bei Bildern ohne Text versuchte er Freitext wissen zu vermitteln. Letztlich gelangte ich zu dem Schluss, das er die Präsentation nicht selbst erarbeitet hat und sie wohl auch nicht kannte ( was Voraussetzung wäre, um eine Präsentation gut rüber zu bringen ). Ich halte fest das der Lehrer/Direktor keine Vertretung für einen etwa krankheitsbedingten Kollegen war - nein, er war für das besagte Jahr tatsächlich der "hauptamtliche" Geschichtslehrer dieser und wohl auch anderer Klassen.

Abgesehen davon, das die Bedienung der Präsentation ein absoluter Witz war, ließen mir seine Ausführungen zu besagtem Stundenthema wiederholt die Haare zu Berge stehen. Hier ein paar Beispiele seiner Fettnäpfchen:

- der Angriff auf Pearl Habour konnte nur gelingen, weil die Japaner den Schutz der Nacht und das schlechte Wetter ausnutzten für die erste Welle
( Unwahrheit : Die erste Welle erreichte Hawaii etwa um 7.00 Uhr morgens Ortszeit. Die meisten Soldaten haben seit einer Stunde die Nachtruhe beendet. Es ist ein Sonntag, die Sonne ging gegen 6.20 Uhr auf und scheint den ganzen Tag. Kein Regen, kein Nebel ! Der Himmel ist zwar bewölkt, aber mit viel Sonne)

- Die Kampfdauer der japanischen Flieger war nur sehr kurz, das sie es noch bis zurück zu ihren Heimatstützpunkten schaffen mussten
( Das ist Blödsinn - es ist geschichtlich belegt, das die Hauptstreitmacht von mindestens 3 Trägern gestützt wurde, die die Flugzeuge bis 95 Sm vor Hawaii brachten, ehe die erste Welle startete. Das die Kampfzeit sehr kurz war, lag an der Taktik von Yamamoto, der den Amerikanern keine Zeit zum Luft holen lassen wollte, daher überschnitten sich die Angriffswellen in der Luft, die rückkehrende Welle traf auf halber Entfernung zwischen den Trägern und Hawaii auf den zweiten Angriff )

- Die Japaner griffen den amerikanischen Stützpunkt an, weil er als Zwischenbasis für eine Expansion Richtung Australien wichtig war
( Stimmt nur teilweise. Hawaii und die dort stationierten Amerikaner spielten schon eine gewisse Rolle in den Expansionsplanungen der Japaner, allerdings waren die bereits über die Phillipinen, Indonesien und Guinea viel weiter in den Süden vorgestoßen, als Australiern lieb sein konnte. Hawaii liegt eigentlich zu weit abseits um wirksam diese breite japanische Front unterlaufen zu können. )

- Das Schlachtschiff Arizona konnte erst in der 3. Welle durch Kamikaze-Angriffe versenkt werden. Die japanischen Bomben waren nicht wirkungsvoll genug.
( totaler Blödsinn ! Die Kamikaze-Angriffe waren von den Amerikanern gefürchtet, das stimmt soweit, aber Japan begann damit erst, nachdem man bei der Schlacht um Midway 3 der 4 beteiligen Trägerschiffe verlor und nachdem durch eine geschickte List der Amerikaner das Flugzeug von Admiral Yamamoto abgeschossen werden konnte. Die Amerikaner schickten sich nach Midway an auf Japan zu marschieren. Zuerst fiel Guam und die Marianen, später Iwo Jima und auch Wake Island - das sogenannte "Inselspringen" der Amis. Der Ring um Japan wurde immer enger geschnürt. Erstmals kamen die Kamikaze zum Einsatz als die Ami´s ihre Invasion auf Okinawa vorbereiteten. Die Betonung der arizona ließ zudem drauf schließen das er davon ausging das es das einzige Schlachtschiff der Flotte war. Die Oklahoma, die Louisiana und die Nebraska erwähnte er gar nicht. Tatsächlich wurden die meisten Schiffe aber bereits bei der ersten Welle heftig getroffen, weil die Japaner keine Bomben sondern Torpedos einsetzten, die in extremen Tiefflug vor dem Hafen abgeworfen wurden. Auch die Arizona hat es da schon erwischt. Nur die letzte Welle hatte keine Torpedos mehr sondern ausschließlich Bomben an Board )

- Die Japaner ahnten, das die Amerikaner die Atombombe gegen sie einsetzen wollten
( auch Quatsch - bis Pearl Harbour waren die Amis nicht mal in den Krieg eingetreten, ferner wußten die Japaner überhaupt nichts von der Entwicklung einer solchen Bombe - Pearl Harbour hatte nie etwas mit dem Manhattan-Projekt zu tun. )

Nach der Stunde, als ich versuchte den Lehrer zur Rede zu stellen, wurde ich nach kurzem Austausch der Standpunkte hinaus geworfen und bekam ein Hausverbot, das wir wiederum durch das Schulamt aufheben ließen. Ein Schreiben an das Schulamt mit den Ergebnissen dieser Hospitation blieb bis heute ohne Folgen. Der Direktor ist heute noch an der Schule. Weiteren Stunden habe ich nicht mehr beigewohnt. Die Auseinandersetzungen eskalierten schlussendlich in einem Gerichtstermin mit abschließendem Vergleich zwischen uns und der Schule.
Diese Erfahrung hinterließ Spuren bei meinem Sohn und seiner Mutter, aber auch bei mir. Noch nie war ich derart bestürzt darüber, von welchen Diletanten unsere Kinder geschult werden. Ich hatte danach jeden Glauben an das deutsche Schulsystem verloren. Diese Sichtweise hat sich bis heute in mir festgesetzt. Hinzu kommt, das diese konkrete Person auch politische Ämter wahrnimmt, wo ich mich frage, wie jemand so offenkundig unfähiges derartige Verantwortungsbereiche übertragen bekommen kann. Zu dämlich ein Laptop und einen Beamer zu bedienen, aber über die Geschicke einer mittelgroßen Stadt mitbestimmen wollen.