Sind die Deutschen das Volk der Raser? Nein, sagt der Hüter der Flensburger Verkehrssünderdaten. Die Zahlen des Jahres 2009, die er jetzt vorgelegt hat, stimmen dennoch nachdenklich. Zumal immer mehr Fahrer ihren Führerschein zeitweise abgeben müssen. Doch die Punktregeln könnten bald geändert werden.
Neue Regeln für die Flensburger Verkehrssünderkartei hat das Kraftfahrtbundesamt (KBA) vorgeschlagen. Im vergangenen Jahr mussten 470.000 Autofahrer in Deutschland ihren Führerschein abgeben – aber KBA-Präsident Ekhard Zinke hält das System für schwer durchschaubar. Die Punkteregelung soll deshalb reformiert werden, sagte Zinke.
Bisher verfällt ein gesammelter Punkt nicht, wenn innerhalb einer bestimmten Zeit ein neuer dazukommt. „Das ist intransparent“, sagte Zinke. Für einen Verkehrssünder sei schwierig nachzuvollziehen, wie viele Punkte er hat. Der Vorschlag des KBA: Die Zeit, bis ein Punkt verfällt, wird verlängert, dafür sind sie nach drei, sechs oder zwölf Jahren – je nach Verstoß – definitiv weg.
„Das sind erste Gedanken auf Arbeitsebene“, betonte Zinke. Auch der ADAC fordert seit langem eine Reform der Regeln. Die dortigen Experten schlagen vor, dass Verkehrssünder automatisch nach drei Jahren ihre Punkte verlieren, selbst wenn sie innerhalb der Frist nochmals erwischt werden.
Wer aber in diesen drei Jahren mehrfach mit schwerwiegenden Verstößen auffalle, müsse weiterhin mit kostenpflichtigen Aufbaukursen und dem Verlust des Führerschein rechnen.
Damit blieben nur solche Verkehrsteilnehmer von Entzug der Fahrerlaubnis bedroht, die die Verkehrsvorschriften regelmäßig ignorierten und damit andere in Gefahr brächten. Über eine Reform muss die Bundesregierung beraten und entscheiden.
Die Zahl der Autofahrer, die 2009 ihren Lappen verloren, lag fast fünfmal so hoch wie noch 1991. Als Hauptgrund für diese Steigerung nannte Zinke bei der Vorlage des KBA-Jahresberichts die Wiedervereinigung: 1991 war das erste vollständige Jahr, das mit den neuen Bundesländern ausgewertet wurde. Vor allem bis 1994 zogen die Zahlen an.
Zudem haben heute pro 1000 Einwohner mehr Menschen Autos oder Motorräder als noch Anfang der 1990er Jahre. Außerdem sei ein Fahrverbot – zum Beispiel beim Überfahren einer roten Ampel oder bei zu schnellem Fahren – heute wegen anderer Punkte-Regeln schneller zu erreichen als noch vor 20 Jahren. „Wir sind kein Volk von Rasern geworden“, betonte Zinke. Die Zahl der Punktesünder in Flensburg lag am 1. Januar 2010 mit knapp neun Millionen Menschen registriert um 1,1 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Die meisten von ihnen waren zu schnell gefahren.
Die Zahl der zugelassenen Autos stieg um 1,3 Prozent auf 41,7 Millionen. 2009 wurden 3,8 Millionen Autos neu zugelassen – dank der Abwrackprämie ein Plus von 23,2 Prozent. Die vielen Neuwagen senkten das Durchschnittsalter der Fahrzeuge von 8,2 auf 8,1 Jahre. Während Sportwagen mit einem Minus von 26 Prozent deutlich weniger gefragt waren, verdoppelte sich bei den Neuzulassungen die Zahl der Kleinstwagen nahezu.
Elektro- und Hybridantriebe blieben weiter eine Randerscheinung. Bei den Farben liegen weiße Autos weiter im Trend. Fast jedes zehnte Auto ist weiß lackiert. Die Zahl der Drogenverstöße inklusive Alkohol sank um rund zehn Prozent. Trotzdem wurden immer noch mehr als 200.000 Delikte gezählt. Die Zahl der Umweltzonenverstöße verfünffachte sich innerhalb eines Jahres. „Das liegt auch daran, dass es viel mehr Umweltzonen gibt als früher“, erklärte Zinke. 418.000 Punkte wurden wegen des verbotenen Telefonierens am Steuer verteilt.
Auch ganz klare Fälle von Führerscheinentzug hindern manche Fahrer indes nicht, sich ans Steuer zu setzen: Die rheinland-pfälzische Polizei berichtete am Dienstag von einem Autofahrer, der drei Jahrzehnte ohne Führerschein gefahren war. Bei einer Kontrolle an der Autobahn A6 verwickelte sich der 64-Jährige dann in Widersprüche. Nachforschungen ergaben, dass der Mann bereits seit 30 Jahren keinen Führerschein mehr besitzt.