Verkehrsrecht: Experten fordern Videoprotokoll beim "Idiotentest"

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  • Jährlich müssen rund 100.000 Verkehrssünder ihren Führerschein abgeben. Dann wartet auf sie ein Psychotest, dessen Sinn und Zweck seit Jahren umstritten ist. Immer mehr Fachleute fordern Änderungen des Verfahrens. Der Gesetzgeber wird dem Druck kaum länger standhalten können.


    Wenig transparent, schlecht nachvollziehbar und vor allem nicht anfechtbar: Die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU), kurz „Idiotentest“ genannt, der sich jährlich gut 100.000 Autofahrer per Gesetz unterziehen müssen, kommt auf den Prüfstand. Experten von Automobilklubs wie ADAC oder ACE und Verkehrsjuristen kritisieren besonders die Undurchschaubarkeit des psychologischen Teils des Tests, den Führerscheinbesitzer meist nach Alkohol- oder Drogenmissbrauch oder bei 18 Punkten in der Flensburger Verkehrssünder-Datei zu absolvieren haben. Das Testergebnis entscheidet dann darüber, ob und zu welchen Bedingungen sie ihren eingezogenen Führerschein zurückerhalten.


    „Der Skandal ist, dass man sich gegen Entscheidungen des „Idiotentests“ nicht wehren kann“, sagt Christian Janeczek, Fachmann des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Zudem seien die angelegten Kriterien der psychologischen Bewertung für Außenstehende und oft auch für Beteiligte kaum verständlich und schon gar nicht allgemeingültig.


    Deshalb wollen die Verbände, dass zukünftig Video- oder Tonbandprotokolle von allen MPU-Gesprächen verpflichtend sind. Bisher wird solch eine Dokumentation nur auf freiwilliger Basis und von einigen der bundesweit 150 Begutachtungsstellen angeboten.


    So fordert der Präsident des Münchner Verwaltungsgerichts, Harald Geiger, eine „technische Aufzeichnung des Gespräches“, um „die Sache für uns Richter und für die Betroffenen“ nachvollziehbar zu machen.


    Professor Lothar Schmidt-Atzert vom Institut für Psychologie der Philipps-Universität Marburg bekräftigt, eine Dokumentation würde die Qualität und Stichhaltigkeit der Gutachten erhöhen und die Sorgfalt der Gutachter steigern. Kurz gesagt: Es wird die Überprüfung der Prüfer angeregt.


    Ein weiterer Kritikpunkt ist die seit September 2008 geltende Regelung, dass schon nach einem einzigen „erheblichen“ Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften eine MPU angeordnet werden kann und es für Betroffene keinerlei Rechtsmittel dagegen gibt.


    Unter einem erheblichen Verstoß wird üblicherweise z.B. die Teilnahme an illegalen Autorennen oder das Fahren in volltrunkenem Zustand (ab 1,6 Promille) verstanden. Der Fall eines 17-Jährigen aus Baden-Württemberg, vom dem ADAC-Rechtsexperte Markus Schäpe berichtet, zeigt jedoch das Dilemma der Regelung. Der Besitzer eines Führerscheins auf Probe, der nur zum Fahren in Begleitung eines „Erwachsenen“ berechtigt, wurde von der Polizei allein am Steuer erwischt. Obwohl, wie bei einem erheblichen Verstoß vorgeschrieben, ihm keine Nachschulung verordnet wurde, schickten die Behörden ihn zur MPU. Die Regelung in ihrer aktuellen Form erlaubt also offensichtlich willkürliche Widersprüche, denen der Betroffene machtlos gegenübersteht.


    Mehr Klarheit und sogar Ausnahme-Regelungen fordert auch der DAV. Als Beispiel nannte Vereins-Experte Frank Häcker einen Lkw-Fahrer, der seit Jahren ohne Beanstandungen am Straßenverkehr teilnehme. Es sei fragwürdig, diesen bei einer einmaligen Geschwindigkeitsüberschreitung mit dem Motorrad in seiner Freizeit mit einem existenzgefährdenden Fahrverbot zu belegen.



    Welt Online