Alle sieben Minuten wird auf deutschen Straßen ein Mensch durch einen Verkehrsunfall schwer verletzt. Wen das wundert, der sollte die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung zur Verkehrsmoral genau studieren. Danach wird er Städte wie Bautzen und Flensburg oder gleich ganze Bundesländer lieber meiden.
Um die Verkehrsmoral in Deutschland ist es offenbar gar nicht gut bestellt. Massenhaft werden Stop-Schilder und rote Ampeln missachtet. Das hat der Auto Club Europa (ACE) in einer großen Studie herausgefunden.
Die Erhebung beruht auf Verkehrsbeobachtungen von 1400 ehrenamtlichen Verkehrsinspektoren, die von März bis Mai 2009 bundesweit durchgeführt wurden. Dabei dokumentierten die Beobachter das Verhalten aller Verkehrsteilnehmer an Stop-Schildern und Ampeln. Insgesamt wurden mehr als 320.000 Pkw, Motorräder, Fahrräder, Mopeds und Lkw erfasst.
Das unmoralische Ergebnis: 5,6 Prozent der Verkehrsteilnehmer ignorieren gelbe, 2,6 Prozent überfahren sogar rote Ampeln. Die meisten davon sind in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Hamburg unterwegs.
Radfahrer spielen an Stop-Schildern mit 62 Prozent und an roten Ampeln mit 15 Prozent Regelverstößen eine besonders unrühmliche Rolle. Aber auch Autofahrer sind oft farbenblind. Fahrer von Transportern führen mit einem Anteil von 3,2 Prozent die Statistik der Motorisierten an. Es folgen Motorradfahrer (3 %), Bus- und Lkw-Fahrer (2,6 %) und Pkw-Fahrer (1,9 %). In Bayern (1,74 %) und Bremen (1, 48%) registrierten der ACE die wenigsten Rotlichtverstöße.
Bei Gelb überfuhren im bundesweiten Schnitt noch 5,6 Prozent der Fahrer die Ampel, obwohl sie verpflichtet waren, anzuhalten. Werden die Gelb- und Rotlichtverstöße zusammengerechnet, liegt die Quote der Vergehen an Ampeln bei über 8 Prozent.
In vielen Städten quert jeder zweite Autofahrer die Haltelinie eines Stop-Schildes, ohne dort anzuhalten, wie es vorgeschrieben ist. Die durchschnittliche Quote liegt in Deutschland bei 46,5 Prozent. Thüringen errang hier mit einem Anteil von 67 Prozent einen Negativrekord.
Die Verstöße sind nicht billig. Wer eine rote Ampel überfährt (im Jahr 2007 wurde dies in Deutschland knapp 300.000 Mal geahndet), kassiert je nach Verkehrssituation 3-4 Punkte in Flensburg und muss zudem zwischen 90 und 360 Euro zahlen. Beim Stop-Schild (rund 85.000 polizeilich registrierte Verstöße in 2007) sind 1-3 Punkte und 25-60 Euro fällig. Die „Dunkelziffer“ liegt bei Stop-Schild-Vergehen um ein Vielfaches höher. Das liegt vor allem daran, dass an Ampeln sehr viel häufiger geblitzt wird.
Als Folge dieses Verhaltens auf der Straße passierten 2007 an Ampeln und Kreuzungen mehr als 98.000 Verkehrsunfälle. Dabei wurden 413 Menschen getötet, (ein Anteil von 9,5 Prozent aller Verkehrstoten), 50.000 trugen oft schwere Verletzungen davon. Missachtung von Vorfahrtsregeln war Ursache von 15 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden.
ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner kommentierte das Ergebnis der Verkehrsbeobachtung als alarmierendes Zeichen, das an einer gefestigten Verkehrsmoral zweifeln lasse: "Wir haben schon den Eindruck gewonnen, dass das Stop-Schild mancherorts zu einer bedeutungslosen Straßendekoration verkommen ist und eine gelbe Ampel nicht zum Anhalten veranlasst, sondern häufig als Aufforderung zum Gas geben missverstanden wird."
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