Einführung :
Ich sage es gleich dazu - der Bericht ist nicht von mir, sondern von einem Studiums-"Kollegen" meiner Schwester, der mit erlaubte das hier zu veröffentlichen. Ich schmücke mich also nur ungern mit fremden Federn. Ich hab auch versucht, das er es selber hier schreibt, aber er wollte sich nicht extra anmelden. Der folgende - etwas sehr umfangreiche - Text ist der Abschlussbericht des Studenten an seine Fördergesellschaft, die ihm den Auffenthalt in Japan ermöglicht hat. Da meine Schwester sowas jetzt, nach einem 2jährigen Auffenthalt in Frankreich auch machen muss, hat er ihr das Manuskript gegeben, damit sie sich Anregungen holen kann. Ich fand das so interessant, das ich dachte, das ist was für das Forum.
Lediglich die Bilder sind von mir, da ich die Original-Bilder schlecht aus dem Bericht rausschneiden und einscannen kann. Das ist mir auch zu viel Aufwand. Wer weiß, ob das hier überhaupt jemand liest ?! :idee
Erlebnisbericht eines deutschen Praktikanten bei MMC in Japan
Dieser Zwischenbericht beruht auf eigens gemachten Erfahrungen, subjektiven Eindrücken und Gesprächen mit Personen, während meines bisherigen Japanaufenthaltes. Ich habe bewusst auf das Einbauen von Sekundärliteratur verzichtet, da ich es für die SJCC als interessanter und
aufschlussreicher für künftige Stipendiaten erachte. Da ich mich einer überwältigenden Menge von Eindrücken gegenüber sehe, habe ich mich entschieden diesen Bericht nicht in der Form eines schlüssigen Essays zu schreiben, wozu ich mich momentan nicht in der Lage sehe. Vielmehr werde ich Themen anschneiden, welche auf mich Eindruck gemacht haben und zu einem nach meiner Meinung tieferen Verständnis der japanischen Kultur für mich geführt haben.
Dabei ist mir sehr bewusst, dass ich die japanische Welt mit einem europäischen Blickwinkel beleuchte, obwohl ich mich bald schon ein Jahr in Japan aufhalte. Doch genau dieser Aspekt scheint mir am interessantesten, da die grundsätzlich von der Japanischen verschiedene Sichtweise es ebenfalls ermöglicht, den eigenen kulturellen und in diesem Fall europäischen Hintergrund und Denkweise zu beleuchten.
Dieser Bericht wird sich in Form einer Collage von Gedanken halten, woraus sich der Leser hoffentlich ein Gesamtbild machen kann.
Ich möchte zuerst auf einige praktische Aspekte in Bezug auf den Aufenthalt in Japan eingehen, welche künftigen Stipendiaten nützlich sein könnten. Es ist hier jedoch zu beachten, dass die gemachten Angaben sich jederzeit ändern könnten.
Geld: Der Bezug von Geld von einem Schweizer Bankkonto erfolgt problemlos mit einer EC MAESTRO Karte an jeder ATM Maschine in einer gewöhnlichen Post ( und einigen Banken), wobei nicht jede Filiale den Zugang 24 Stunden am Tag gewährt. Die Gebühr pro Bezug entspricht der Bezugsgebühr bei einer Fremdbank in der Schweiz, also ca. 5 Schweizer Franken. Der Bezug mit einer VISA Karte kommt einiges teuerer.
Das Eröffnen eines Bankkontos in Japan erfordert in den meisten Fällen den Besitz eines “Hankos”. Dies ist ein Stempel, welcher den eigenen Namen eingraviert hat, in meinem Falle auf Katana, und dient als Unterschrift anstelle der eigenen Signatur. Ein solcher Stempel lässt sich schnell und günstig in den meisten Papeterien herstellen. Kommt jemand anders in den Besitz des Stempels zusammen mit dem Bankbüchlein, kann diese Person problemlos das ganze Bankkonto leer räumen, da keine weitere Identifikation beim Bezug am Schalter verlangt wird.
Reisen: Am bequemsten lässt es sich in Japan mit dem Schnellzug, dem Shinkansen, reisen. Dieser ist jedoch sehr teuer und daher sollte man sich unbedingt einen Railpassgutschein (1 oder 2 Wochenpass) für Japan vor der Abreise in Europa besorgen (da Japan Railpässe nur ausserhalb Japans erhältlich sind), welchen man in Japan in einen gültigen Railpass umwandeln kann. Mit diesem Pass kann man alle Linien der Japan Railways nutzen, inklusive zugehörige Bus- und Schiffsverbindungen. Es lohnt sich wirklich.
In den Richtlinien für den Railpass ist vermerkt, dass man nur mit einem temporären, sprich Touristenvisum, zur Benutzung berechtigt ist. Zwecks meines Praktikums musste ich ein “Cultural Activities” Visum erlangen, wodurch ich eigentlich nicht mehr in den Genuss eines Railpasses kommen dürfte. Da aber dieses Visum logischerweise nur temporär ist, stellt dies ebenso kein Problem dar. Tip: Sofern man Lust hat zu reisen, kann man sich auch einen Railpassgutschein von
einem Bekannten aus der Europa schicken lassen.
Behörden: Für einen längeren Aufenthalt in Japan wird ein Behördengang unvermeidlich. Falls möglich sollten alle Angelegenheiten bezüglich Visum bereits in Europa über die Japanische Botschaft erledigt werden. Die Bürokratie scheint aus meiner Sicht in Japan sehr verworren zu sein, aber dies scheint in der Schweiz auch oft der Fall zu sein (vor allem wenn man als Ausländer die Sprache nicht beherrscht).
SJCC Stipendiaten werden zuerst einen Sprachkurs in Japan besuchen und es ist daher empfehlenswert behördliche Angelegenheiten über das Personal der jeweiligen Sprachschule abzuwickeln oder über das Personalbüro der Firma, in welcher man das Praktikum absolvieren wird.
Man sollte auf keinen Fall erwarten, dass irgendjemand auf einem Amt Englisch spricht. Bei einem Behördengang empfiehlt es sich daher, einen Japaner dabei zu haben, der übersetzen kann. In meinem Fall hatte Mitsubishi Motors keinerlei Erfahrung, da ich der erste Praktikant überhaupt in ihrem Designstudio bin, und konnte dementsprechend wenig zu meinem Visumwechsel (Tourist zu Cultural Activities) beitragen. Hinzu kam noch, dass ich mein Studium bereits abgeschlossen hatte, und deshalb nicht mehr in die Kategorie auszubildender Student passte. Das Konzept von Praktika existiert in Japan nicht und man darf nicht großes Verständnis erwarten (eher Misstrauen, da man sich Wissen aneignet, und es wieder mitnimmt). Das
größte Problem stellt dar, wenn man nicht in eine Kategorie eingeordnet werden kann, und der Beamte nicht weiss, was er jetzt tun soll. Man darf aber auch in diesem Fall nichts forcieren und man sollte sich immer bewusst sein, dass der Beamte alles versuchen wird sofern es in seiner Macht steht. Was sehr wirkungsvoll zu sein scheint, sind offizielle mit Stempeln und Siegeln bestückte Schreiben, wie sie für mich von der SJCC ausgestellt wurden. Und so hat es letztendlich auch geklappt. Allerdings sollten solche Probleme nicht unterschätzt werden, sofern man nicht schon vor Beginn des Praktikums wieder auf dem Heimweg nach Europa sein möchte.
Es gibt jedoch noch einen anderen Weg: Den Weg der Beharrlichkeit.
Dazu eine kleine Anekdote, welche mir ein Mitsubishi Mitarbeiter erzählt hat:
Ein Mann kam ins Stadthaus, um den Namen seines neugeborenen Kindes registrieren zu lassen. Die Registrierung konnte ohne grosse Umstände abgewickelt werden. Einige Tage später erhielt der frisch gewordene Vater die Urkunde mit der Namensbescheinigung. Er musste jedoch zu seinem Ärger feststellen, dass der Name nicht korrekt in der Urkunde niedergeschrieben worden war. Sogleich nahm er sich zwecks Behördengang einen weiteren Arbeitstag frei und machte
sich auf, den Fehler bereinigen zu lassen. Er stiess jedoch auf wenig Verständnis beim zuständigen Beamten, welcher die Änderung nicht vornehmen wollte. Auch am folgenden Tag, nachdem er wiederum einen Urlaubstag genommen hatte, blieb sein Ersuchen ohne Gehör und der zuständige Beamte liess sich nicht umstimmen. Am nächsten Morgen ging der Mann normal zur Arbeit. Zur Mittagspause begab er sich jedoch wieder auf das Amt. Als er das Amtbüro betrat nickte er dem besagten Beamten zu, setzte sich in eine Ecke und begann sein mitgebrachtes Mittagessen zu verspeisen. Nachdem seine Mittagspause zu Ende war kehrte er an seine Arbeit zurück. Dies tat er fortan jeden Tag. Nach der zweiten Woche als der Mann sein Mittagsmahl im Amtbüro zu sich nahm, rief ihn der Beamte zu seinem Schalter und nahm die entsprechende Korrektur vor. Zufrieden kehrte der stolze
Vater an seine Arbeit zurück. Klingt wie ein Witz, ist aber wohl wirklich passiert.
Als ich auf der Suche nach einen Praktikum in Japan war stieß ich auf die Firma Production-IG in Tokyo, welche Animes produziert. „Jin Roh“, „Ghost in the Shell“ und „Innocence“ sind einige Filme, welche dieser Produktionsstätte bereits zu Weltruhm verholfen haben. Production-IG hat ebenfalls die Anime Sequenz in Quentin Tarantinos „KILL BILL“ produziert. Als ich zum Interview eingeladen wurde, hat man mir erklärt, wie es zur Zusammenarbeit zwischen Production-IG und Quentin Tarantino gekommen war. Quentin Tarantino hatte vor, für „KILL BILL“ eine Anime Sequenz einzubauen, welche den Werdegang der Unterwelt Bossin O-Ren Ishii (gespielt von
Lucy Liu) erklärt. Da die Hauptcharaktere in „Blood: The Last Vampire“ von Production-IG sehr viel Ähnlichkeiten mit der von Lucy Liu gespielten O-Ren Ishii hatte, wollte Tarantino unbedingt eine Zusammenarbeit mit Production-IG erwirken. Production IG befand sich aber inmitten der Produktion vom „Ghost in the Shell“ Nachfolger „Innocence“ und lehnte den Auftrag ab. Dies ist ein schönes Beispiel japanischer Umsichtigkeit. Wenn das Risiko besteht dass ein Auftrag nicht sorgfältig ausgeführt werden kann, wird er abgelehnt.
Quentin Tarantino jedoch war beharrlich und begann fortan immer wieder den neuesten Stand des Filmskriptes zu schicken.
„ Was hätten wir tun sollen? Er schickte uns laufend seine Filmskripte, wir hatten keine Wahl, wir mussten den Auftrag annehmen...“ So erklärte mir Sakurai-san, der die Drehbücher für Production-IG schreibt.
...to be continued