In anderen Industrieländern sind vor allem Langzeitarbeitslose finanziell deutlich schlechter gestellt als in Deutschland. Es lohnt sich hierzulande kaum, einen gering bezahlten Job anzunehmen. Vor allem für Menschen, die erst vor kurzem arbeitslos wurden, sind die staatlichen Leistungen attraktiver.
Die Leistungen für Langzeitarbeitslose liegen in Deutschland nach einer OECD-Studie trotz der Hartz-Reformen weiter über dem Durchschnitt großer Industrieländer. Vor allem Langzeitarbeitslose mit Kindern seien in Deutschland deutlich bessergestellt als in den meisten anderen OECD-Ländern, teilte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Berlin mit. Zur OECD gehören insgesamt 30 große Wirtschaftsnationen.
Der Studie zufolge haben die Hartz-Reformen die finanziellen Anreize zur Arbeitsaufnahme für kurzzeitig Arbeitslose kaum verändert: Nach wie vor lohne es sich für sie im Vergleich zu anderen OECD-Ländern kaum, eine etwas geringer bezahlte Arbeit anzunehmen. Je nach Haushaltstyp hätten in Deutschland Arbeitslose und deren Familien sogar weniger Geld in der Tasche, wenn sie schnell einen geringer bezahlten Job annehmen, statt weiter von staatlichen Transfers zu leben.
So erhält den Angaben zufolge ein Alleinstehender in Deutschland, der zuletzt durchschnittlich verdiente, nach fünf Jahren ohne Job noch 36 Prozent seines letzten Nettoverdienstes als Transferzahlung. 2001 wurden einem Single-Langzeitarbeitslosen mit vorherigem Durchschnittseinkommen 54 Prozent des letzten Nettos ersetzt. Den Durchschnitt für diese Personengruppe gibt die OECD aktuell mit 32 Prozent an. Die höchste Leistung erhält - mit 59 Prozent des letzten Nettoeinkommens - ein Langzeitarbeitsloser in Dänemark.
Die Familie eines verheirateten Durchschnittsverdieners mit zwei Kindern erhält laut OECD aktuell nach fünf Jahren Arbeitslosigkeit „noch 62 Prozent des letzten Nettos und damit unerheblich weniger als 2001 (63 Prozent)“. Der Durchschnitt liege bei 53 Prozent. Auch hier fallen die Transfers mit 77 Prozent des letzen Nettos in Dänemark (und Finnland) am höchsten aus. Größere reformbedingte Einbußen mussten jedoch Langzeitarbeitslose hinnehmen, die vor dem Verlust ihres Jobs ein überdurchschnittliches Einkommen erzielten, oder bei denen das Partnereinkommen auf die staatliche Unterstützung angerechnet wird.
Wer seinen Arbeitsplatz verliere, für den ist es trotz Hartz-Reform laut OECD-Studie „vergleichsweise unattraktiv“, schnell eine neue Arbeit mit einem etwas geringeren Gehalt anzunehmen. „Es kann für Arbeitslose durchaus sinnvoll sein, zunächst schlechter bezahlte Angebote abzulehnen. Allerdings birgt eine zu lange Wartezeit die Gefahr, dass Qualifikationen entwertet werden und der Weg in die Arbeit umso schwerer wird“, lautet das Fazit vom Mitautor der Studie, Michael Förster. Das Steuer- und Transfersystem sollte daher Anreize zur Arbeitsaufnahme setzen.
Dass sich Arbeit auch ohne Reduzierung der sozialen Absicherung lohnen könne, zeige sich am Beispiel der nordischen Länder und der Schweiz. Obwohl es dort vergleichsweise großzügige Transfers gebe, stellten sich die Betroffenen „in jedem Fall besser, wenn sie eine Arbeit aufnehmen“.
dpa/cn