Comeback von Telefonzellen

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  • Comeback von Telefonzellen


    Jetzt schafft auch die Schweiz den Münzfernsprecher ab. Dennoch sind Telefonhäuschen nicht von gestern. Rund um die Welt finden die Zellen als Bars, Büchereien oder WLAN-Hotspots eine neue Bestimmung – und in Großraumbüros werden sie sogar frisch installiert: als Ort der Ruhe in lärmiger Umgebung. Mit dem Jahr 2017 endet auch die Verpflichtung der Swisscom, öffentliche Telefone zu betreiben. Damit geht in der Schweiz die Ära der öffentlichen Telefonzelle zu Ende: Schließlich hat inzwischen praktisch jeder Passant ein Mobiltelefon zur Hand. Verschwunden sind die Häuschen damit aber noch nicht. Im Gegenteil: In vielen Städten rund um die Welt machen sie gerade wieder Karriere – sei es, weil Bürger die Telefonzelle in ihrer Nähe als Kultobjekt behalten wollen oder weil einfallsreiche Unternehmer den ehemaligen Fernsprechern eine zeitgemäße neue Bestimmung geben.
    Auf dem Höhepunkt gab es 1997 in der Schweiz 61.000 öffentliche Fernsprecher – und bereits eine Million Mobiltelefone. Damit war das Ende absehbar. 2016 besaßen gerade noch 1310 Gemeinden eine Telefonzelle, und die Tage der meisten dürften nun ebenfalls gezählt sein, da sich der Betrieb für die Swisscom schon lange nicht mehr lohnt, wie die NZZ berichtet.


    In Deutschland gehörten die gelben Telefonzellen der Bundespost jahrzehntelang zum Stadtbild. Damit war bereits in den 90er Jahren Schluss, als die Telekom ihre Privatisierung mit neuen Zellen in Grau und Magenta feierte. Der Konzern rüstete sogar viele Münzapparate aufwändig auf Telefonkarten um, bevor das Handy zum Allgemeingut wurde. 2016 waren von einst 160.000 Telefonhäuschen noch etwa 20.000 übrig geblieben. Weltbekannt sind die knallroten englischen Telefonzellen, deren Originaldesign den 1920er Jahren stammt. Einige von ihnen sind sogar denkmalgeschützt. Damit sie mangels Funktion nicht verschwinden, wurden viele mit neuen Funktionen in winzige Geschäfte umgewandelt: Als Verkaufsstand für Andenken oder als kleine Coffee Shops stehen sie gut sichtbar am Wegesrand und erlauben es ihren Betreibern, sie nachts abzuschließen. Gastronomen und Händler mieten ihre Phone Box beim Betreiber Red Kiosk Company für 3600 Pfund pro Jahr, wie Bloomberg berichtet. Eine ganz besondere umgerüstete Telefonzelle befindet sich in der schottischen Grafschaft Argyll: Hier betreibt das Kilberry Inn Hotel die kleinste Bar der Welt, die Wee Bar. Die Bar ist für Gäste des Hotels kostenlos und wechselt regelmäßig sein Angebot an lokalen Spirituosen. Bei Touristen ist das etwa einen Quadratmeter große Etablissement sehr beliebt – selbst ein Konzert mit einer dreiköpfigen Band hat es darin bereits gegeben.


    Auf der ganzen Welt werden ehemalige Telefonzellen gern als kostenlose Bibliothek genutzt: Bücherregale ersetzen dann vor allem in ländlichen Gebieten den Fernsprechapparat im Inneren, und was sich dort findet, kann jederzeit im Tausch gegen andere Bücher ausgeliehen werden. Derartige Mikrobüchereien gibt es in England und Deutschland ebenso wie in Schanghai, wo die Konvertierung laut China Daily sogar von der städtischen Behörde vorangetrieben wird. Die dortigen Telefonzellen behalten allerdings auch ihre Telefonfunktion, vor allem für den Notfall. In New York und London werden viele Telefonzellen durch Kioske ersetzt, die Gratis-WLAN anbieten. Das lohnt sich für Betreiber wie LinkNYC und InLinkUK vor allem deshalb, weil die Standorte in Großstädten als Werbeflächen auf Augenhöhe der Passanten wertvoll sind. Zwar kämpfen die Anbieter damit, dass auch Pornofreunde sich gern mit dem kostenlosen WLAN vergnügen – dem Konzept scheint das aber nicht zu schaden. Auch die Google-Schwester Intersection kommt nun mit einer ähnlichen Idee auf den Markt. Im ersten Schritt stellt das New Yorker Startup an ehemaligen Standorten von Telefonzellen interaktive Kioske mit WLAN auf. Langfristig sollen sie auch als Navigationshilfe für selbstfahrende Autos und Peilstationen für Augmented Reality dienen. Auf diese Weise könnten die Nachfolger der Münzfernsprecher zu Augen und Ohren der Smart City werden, spekuliert die MIT Technology Review.
    Selbst in ihrer ursprünglichen Bestimmung sind Telefonzellen noch nicht passé. In lärmigen Großraumbüros erleben sie sogar gerade ein Comeback: Die Firma Martela bietet Design-Kabinen als Büromobiliar an, in denen Mitarbeiter trotz aller Geschäftigkeit um sie herum in aller Ruhe telefonieren können.
    Wer mag, kann sich sogar eine Telefonzelle zu Hause aufstellen. Transport und Installation gehen zwar auf Kosten des Käufers, doch die Telekom hat noch Kabinen in Silber-Magenta in ihrer Wartungsstelle bei Potsdam auf Lager. Der Klassiker in Gelb daegen ist bereits vergriffen – er ziert, im ganzen Land verteilt, bereits seit Jahren Privatgrundstücke und Firmengelände.


    Swisscom-Media