Neuer Skandal bei Amazon

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  • Amazon verstößt erneut gegen Arbeitnehmerrechte


    Amazon überwacht nach NDR-Recherchen seine Mitarbeiter äußerst engmaschig. In einem Logistikzentrum sind Überwachungskameras installiert - selbst vor der Kantine und im Umkleidebereich. Zudem werden Arbeitsschritte ständig registriert. Datenschützer schlagen Alarm.
    Ansehen, klicken, bestellen und schon wird der Wunschartikel geliefert. So funktioniert das bei Amazon. Doch hinter diesem System stehen Menschen, die sortieren und die Waren in riesigen Logistikzentren verpacken. Immer wieder wird Kritik an den dortigen Arbeitsbedingungen laut. Da ist die Rede von Kontrolle, Druck und Arbeitshetze. Wir wollten wissen: Stimmt das? Unser Reporter Kaveh Kooroshy hat verdeckt im modernsten Logistikzentrum Deutschlands gearbeitet: Bei Amazon in Winsen an der Luhe.
    Mein Kollege, der Roboter
    Im Einstellungsbüro von Amazon in Hamburg-Harburg suchen sie noch Leute für das Weihnachtsgeschäft. Wer will, kann einfach vorbeikommen. Ein Termin, Deutschkenntnisse oder ein Schulabschluss sind nicht nötig. Es werden zwei gesunde Arme und Beine benötigt, mehr nicht. Eine Woche später bin ich drin. Ich muss in die Spätschicht: 15:15 Uhr bis 00:00 Uhr. Schon am zweiten Tag geht es für mich in den "Käfig" - so nennen meine neuen Kollegen die von drei Seiten eingezäunten Stationen, an denen Arbeiter bestellte Waren in Kisten legen. Hier heißt es: greifen, scannen, ablegen. Dann geht die Kiste auf dem Fließband zum nächsten Arbeiter, der sie verpackt.


    Roboter bringen die Waren zu meinem "Käfig". Ein Bildschirm zeigt mir, was ich rausnehmen und in die Kiste legen muss. Immer wieder greifen, scannen, ablegen: Lippenstift aus Fach E3 in Kiste 2, Kalender aus Fach B1 in Kiste 1, DVD aus Fach F4 in Kiste 1. Computer geben die Befehle, die Roboter und ich führen sie aus. Die Roboter, die Fließbänder, die Menschen - sie alle sind Teil eines großen Organismus, der auspackt, einlagert, auslagert und dann wieder einpackt. Dem System bleibt nichts verborgen. Der Amazon-Computer erfasst fast jede Bewegung aller Teile, die ihm dienen, auch die der Menschen. Wie viele Artikel werden pro Minute umgelagert? Wie viele pro Stunde? Ist es effizient genug? In der zweiten Woche bei Amazon war ich wohl etwas langsamer. Ohne Absicht, ich habe es einfach nicht bemerkt. Meine Vorarbeiterin fragt mich: "Was ist los? Deine Rate ist niedriger als sonst!" Überrascht frage ich: "Liege ich denn noch über dem Minimum?" "Ja, aber nur noch ganz knapp", antwortet sie streng.


    Perfekte Überwachung


    Fast alles, was ich tue, wird irgendwie überwacht. Und das nicht nur vom Computer. Ich entdecke Dutzende Kameras - in den Gängen, im Arbeitsbereich. Das macht vielen im Werk Angst. Ich schiebe zwei Wagen mit Kisten voller Waren zum Fließband. In der Kurve kippen sie um. Kurze Zeit später kippen mir die Kisten erneut um. Ein Kollege hilft mir beim Aufheben. Er raunt mir zu: "Du musst vorsichtig sein!". Dann deutet er schnell auf die mysteriösen Objekte, die über uns hängen und aussehen wie Kameras. Sogar in den Spindräumen für die Arbeiter hängen Kameras. Hier bleibt nichts privat. Ein Interview zu dem System der Überwachung will uns Amazon nicht geben. Der Online-Riese teilt uns schriftlich mit: "Amazon ist ein guter Arbeitgeber". Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter hätten immer die höchste Priorität. Amazon zeichne "keine einzelnen Arbeitsschritte der Mitarbeiter auf", es gehe um die Nachverfolgung und Verstauung des Inventars. Die dabei erfassten Daten würden bei der "akkuraten, pünktlichen Zustellung von Kundenbestellungen" helfen. Auch eine Kameraüberwachung an den Arbeitsplätzen bestreitet Amazon. Und die Kameras im Spindraum seien da, um Diebstählen vorzubeugen.


    Überwachung gesetzeswidrig? Ich lege meine Recherche-Ergebnisse dem renommierten Arbeitsjuristen Hajo Köhler aus Oldenburg vor. Er sagt: "Die Datenerhebung, sei es über Computerprogramme oder Video, muss dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen." Der Arbeitnehmer dürfe nicht zum Objekt werden, das gar nicht mehr wisse, wann welche Daten über ihn gesammelt und gespeichert würden. Laut Rechtsprechung führe das "zu einem Anpassungsdruck - psychischem Anpassungsdruck - und dieser ist rechtlich nicht zulässig."Kontrollverfahren der Datenschutzbeauftragten. Inzwischen hat auch die Landesbeauftragte für den Datenschutz in Niedersachsen, Barbara Thiel, ein Kontrollverfahren gegen Amazon in Winsen an der Luhe eingeleitet. Sie hält eine ständige Erfassung und Auswertung von Mitarbeiterdaten für nicht zulässig und prüft einen möglichen "Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz" sowie gegen das "Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung". Amazon wird sich den Fragen der Datenschutzbeauftragten stellen müssen.


    Tagesschau.de