Elektroauto als "Motor" für eine neue Infrastruktur

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  • Vernetzungs-Strategien zwischen Autos und Häusern


    Eigentlich haben die Fahrzeughersteller mit der Entwicklung neuer Autos genug zu tun. Doch weil der Elektroantrieb so vieles ändert, forschen die Ingenieure jetzt auch am intelligenten Stromnetz - und werden, quasi nebenbei, zu Architekten. Das Ziel: Ein passendes Haus zum E-Mobil.
    "Papa, fahr mal den Wagen in die Garage, Mama will den Herd anschalten." Der Satz klingt absurd, doch könnte er in gar nicht so weit entfernter Zukunft durchaus zu hören sein. Denn in manchen Visionen von Fahrzeugherstellern wachsen Auto und Haus immer enger zusammen. "Smart Grid", intelligentes (Strom-)Netz, lautet das Schlagwort, das Ingenieure in Zeiten des Elektroautos umtreibt. Die Schlüsselkomponenten dabei sind die Akkus der Fahrzeuge, die nicht nur Energiespeicher für einen lokal emissionsfreien Verkehr, sondern auch Puffer im Stromnetz sein könnten.
    Mit ihnen, so die Idee, ließen sich Schwankungen im Stromnetz ausgleichen, die vor allem bei der Ökostromproduktion entstehen. Wohin mit dem Windstrom, von dem schon heute nachts mehr anfällt, als tatsächlich gebraucht wird? Und was machen mit der Solarenergie vom Hausdach, wenn die Familie im Urlaub ist? Auf solche Fragen wollen die Autohersteller mit Elektrofahrzeugen eine Antwort liefern. Denn in den Batterien der Fahrzeuge könnte überschüssiger Strom gespeichert und bei Bedarf wieder abgegeben werden. Eben, wenn die Küche unter Volllast arbeitet.


    Wie drängend das Problem ist, weiß kein Land besser als Japan: Schon kurz nachdem dort am 11. März die Erde bebte und das Stromnetz durch die Atom-Katastrophe in Fukushima zusammenbrach, meldeten sich die ersten Kunden bei Hiroki Nagayama. Der Nissan-Manager sagt: "Die Leute wollten wissen, ob sie mit dem Strom aus dem Leaf den Kühlschrank betreiben oder mit den Solarzellen auf dem Dach ihren Akku laden können." Die Idee sei durchaus plausibel, so Nagayama. "Eine Batterieladung unseres Elektroautos reicht dem durchschnittlichen japanischen Haushalt für 48 Stunden."
    Noch fehlt dafür allerdings die geeignete Infrastruktur. Doch bis 2012 will Nissan ein sogenanntes Power Control System anbieten, das den Energieaustausch zwischen Haus und Auto organisiert. Dann soll der Akku des Stromers auch die Elektrogeräte im Gebäude versorgen.
    Die Lektion aus Fukushima hat Japan rasch gelernt: Es gibt zahlreiche Smart-Grid-Pilotprojekte, und auf der Motorshow in Tokio war die Smart Mobility City ein großes Thema. Nissan baute sein futuristisches Smart House auf, das ein wenig an eine Science-Fiction-Mondbasis erinnert. Der hochbeinige Wohnkubus mit optimaler Isolierung und besonders effizienten Elektrogeräten ist die Vision einer völlig autarken Immobilie, die mit Solaranlage und Brennstoffzelle ihren eigenen Strom erzeugt und die Energie in den Akkus des Leaf zwischenspeichert.


    Die japanischen Hersteller preschen bei dem Thema voran


    Ganz ähnlich konzipiert ist das Smart Home System von Honda, zu dem neben der Vernetzung von Elektro-Auto oder Plug-in-Fahrzeug und Wohnhaus auch eine selbst entwickelte Photovoltaik-Anlage und ein eigenes Gas-Blockheizkraftwerk gehören. Und Toyota zeigt auf der Messe eine Lösung, die der japanische Autohersteller in Wien mit dem Trendforscher Matthias Horx bereits in die Praxis umgesetzt hat. Horx' Wohnhaus ist schon so umgerüstet, dass der 5,2 kWh große Akku des Plug-in-Prius überschüssigen Strom aus Solarzellen zwischenspeichern und bei Bedarf wieder an die Hausversorgung abgeben kann. "Mit einem einzigen Auto ist dabei nicht viel gewonnen", räumt Nissan-Manager Nagayama ein. "Aber wenn irgendwann tausende von Elektrofahrzeugen auf der Straße sind, werden sie zu einem wichtigen Bestandteil für die Energieversorgung."
    Die Messegäste in Tokio können das nicht nur anschauen, sondern auch ausprobieren: Auf dem Mitsubishi-Stand sitzen in einem kleinen Café, das über eine neue Hochleistungsschnittselle aus den Akkus des Elektro-Kleinwagens i-MiEV gespeist wird. Diese externe Anschlussmöglichkeit, die den Wagen auch zum mobilen Energieversorger zum Beispiel für Camper oder Katastrophenschützer macht, wollen die Japaner noch im aktuellen Geschäftsjahr auf den Markt bringen.
    Die deutschen Hersteller haben dieses Thema noch kaum entdeckt. Zwar fällt auch bei den einschlägigen Präsentationen von Mercedes und Smart, BMW oder VW in einem Nebensatz das Mode-Stichwort "Smart Grid". Aber von konkreten Planungen ist in Stuttgart, München, Ingolstadt oder Wolfsburg nichts zu hören.


    In Norderstedt entsteht derzeit eine "Smart-Grid"-Modellsiedlung


    Die Lücke füllt - einmal mehr - der Hamburger Unternehmer Sirri Karabag. Er ist mit einem auf Batteriebetrieb umgerüsteten Fiat 500 derzeit nicht nur der Spitzenreiter in der Zulassungstabelle für Elektrofahrzeuge in Deutschland, sondern baut auch die passenden Häuser dazu: In Norderstedt bei Hamburg stampft er gerade eine Siedlung von Solarhäusern aus dem Boden, zu denen jeweils auch ein Elektroauto gehört. Die Pkw sind ins Stromnetz der Immobilien integriert und werden als Pufferspeicher für den Strom aus den Sonnenkollektoren genutzt. Bei schönem Wetter laden die Solarzellen so den Wagen mit kostenlosem Ökostrom. Und wenn der Himmel grau ist, liefert der Fiat-Akku den Saft für Fernseher oder Föhn.
    Technisch sei die elektrische Verknüpfung von Mobilie und Immobilie eine leichte Übung, sagt Nissan-Entwickler Nagayama. Natürlich sei noch Feintuning nötig, und eine integrierte Schnellladefunktion sei auch wünschenswert. Der Preis? Die Schnittstelle zwischen Auto und Haus wird in einer ersten Kleinserie von Nissan umgerechnet rund 5000 Euro kosten. Später soll das System billiger werden. Derzeit allerdings geht es vornehmlich noch um die intelligente Steuerung selbst. "Wann kann das Auto das Haus speisen und wie viel Strom wollen wir abgeben?" formuliert Nagayama die zentralen Fragen. Denn eines sei auf jeden Fall zu vermeiden. "Wenn man am Wochenende nach dem Frühstück zum Wochenendeinkauf aufbrechen will, und der Auto-Akku ist leer, wird man kaum noch gut auf 'Smart Grid' zu sprechen sein."


    Motorzeitung.de