EU Beitritt Türkei JA! oder NEIN!

Ich finde, du vermischst hier irgendwie zwei Fragen. Denn die Frage, wie es mir in der Türkei gefällt, hat nicht viel damit zu tun, wie ich das Beitrittsthema sehe.

Für mich ist die EU eine europäische Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft. Und dann sind wir schon an einem Punkt, an dem es sich zu spiessen beginnt, denn damit sind schon Länder in der EU, denen ich die Mitgliedschaft nicht unbedingt angetragen hätte. Rumänien und Bulgarien zum Beispiel - sind das wirklich Länder, die in die EU passen? Als Österreicherin sehe ich viele Dinge "Osteuropa" betreffend vielleicht auch bisschen anders. Aber es gibt Länder, die einfach sehr weit weg von dem Standard sind, der in anderen Teilen der EU herrscht. Jetzt stellt sich in Bezug auf diese Länder die Frage, ob sie als Teil der Union auf das Niveau der anderen Mitgliedsstaaten wachsen sollten, oder ob man sie von aussen unterstützt und sie aufnimmt, wenn sie soweit ist. Sorgen machen mir in der Hinsicht vor allem auch die Reisefreiheit innerhalb der EU und die mangelnde Kontrolle des Warenverkehrs.

Bei der Türkei kommt ein weiterer Aspekt hinzu, geographischer wie auch mentalitätsbezogener Natur: die Türkei ist per definitionem kein europäisches Land. Ja, ein kleiner Teil, jener westlich des Bosporus liegt auf europäischem Boden, der überwiegende Teil ist aber asiatisch. Und mir fällt kein Mitgliedsstaat ein, der muslimisch geprägt ist. Ich habe weder was gegen den Islam noch was gegen die Türken an sich. Aber diese Tatsachen decken sich nicht gänzlich mit meiner Vorstellung davon, was die EU ist.

Die Frage über den Beitritt der EU ist in meinen Augen keine, die massgeblich von den Türken abhängt. Sondern mehr davon, in welche Richtung die EU sich ausrichten will. Wenn beschlossen wird, dass "jeder" mitmachen darf, bin ich dafür, dass diese Staaten auch gewisse Grundsätze erfüllen wie die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Mann und Frau.

Ob ich mich in der Türkei wohlgefühlt hab oder nicht, ist für diese Betrachtung zweitrangig. Und wohlgefühlt hab ich mich. Die Leute waren nett, ich hab mich absolut problemlos auch in der Nacht frei bewegt, bin mit dem Dolmus durch die Gegend gebraust und wurde oft für eine Einheimische gehalten. Wenn dann am mangelnden Wortschatz (mehr als Grüssen, Bitte, Danke und ein paar andere Kleinigkeiten waren in der Kürze der Zeit nicht drin) erkennbar war, dass ich Touri bin, waren die Leute genauso herzlich und hilfsbereit wie vorher. Allerdings möchte ich mich nicht zu der Behauptung versteigen, dass das an weniger touristisch geprägten Ort genauso gewesen wäre.

Ich kenne auch hier den/die eine/n oder andere/n Türken/in. Das sind durch die Bank nette Menschen. Eine Freundin ist mit einem Türken verheiratet, das ist ein toller Mensch, mit dem ich sehr spannende Diskussionen führen kann.

Was ich damit sagen möchte: Die Sinnhaftigkeit eines Beitritts der Türkei anzuzweifeln hat nicht unbedingt was mit Türkenbashing oder Ablehnung der Türkei als Ganzes zu tun, sondern kann auch andere Ursachen haben. Sollte es zu einer Abstimmung über den Beitritt kommen (die ja immer wieder gefordert wird), würde ich aber vermutlich nach der Prüfung aller Informationen eher mit ja als mit nein stimmen, denn ich bin gegen Ungleichbehandlung (vergleiche Bulgarien/Rumänien/Baltikum).

Sehr schön beschrieben Sabrina, dem kann ich eigentlich nichts mehr hin zu fügen. Genau das habe ich auch gedacht als ich den ersten Beitrag gelesen habe.